Donnerstag, 20. Dezember 2012

Newsletter 13: Happy new Year

Meine Lieben,

das Jahr neigt sich dem Ende zu und Weihnachten steht vor der Tür. In den letzten Wochen habe ich durch meine Schreiberei immer wieder auf das Jahr Rückschau gehalten und bin jetzt doch ein wenig wehmütig. Gabi ist nur noch diese Woche da und daran hab ich echt zu knabbern. Nicht wegen dem Haushalt, es ist mehr so, dass wir uns schon so aneinander gewöhnt haben und dass ich Ihre Gesellschaft sehr genossen habe. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich ihr zum Abschied schenken kann, was annähernd ausdrückt, was sie mir in dem Jahr bedeutet hat. Nicht auszudenken, wenn ich die erste Dorfhelferin behalten hätte....

Weihnachten fiebere ich genauso entgegen wie Louis, denn am Samstag hab ich die letzte Bestrahlung. Die Narbe ist mittlerweile eine offene Wunde und brennt, wenn sich meine Kleider daran reiben. Fkk wäre jetzt eine tolle Sache.

Die Therapie ist jetzt fast geschafft und jetzt, wie geht es weiter? Ich merke, dass ich in letzter Zeit doch öfters über den Grund meiner Erkrankung grüble. Wenn ich wüsste, warum ich Krebs bekommen habe, könnte ich ja vielleicht etwas in Zukunft ändern. Keine der Risikofaktoren für Brustkrebs treffen auf mich zu, weshalb ich eine genetische Beratung in Anspruch genommen habe. Tatsächlich könnte ein Gendefekt der Grund sein. Gewissheit habe ich erst nach einer Blutuntersuchung, die ich im neuen Jahr durchführen lasse.

Im Januar werde ich voraussichtlich noch krank geschrieben und den Februar nehme ich mir noch frei. In der Zeit werde ich Jael in der Kita eingewöhnen, ein bisschen Töpfern und mein Buch weiter schreiben. Einige Arzttermine stehen auch noch an.

Heilig Abend feiern wir als Familie Zuhause und Silvester sind wir bei meiner Schwester. Wir gehen dann am Abend in den Gottesdienst und ziehen wieder die Losverse für das nächste Jahr. Vor einem Jahr war ich noch total ahnungslos, was 2012 auf mich zukommen würde. Ich habe damals einen Vers aus 2. Mose 15,2 gezogen:
"Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil"
darunter stand ein Vers von Ludwig Andreas Gotter
"Herr, verleih mir Stärke, verleih mir Kraft und Mut; denn das sind Gnadenwerke, die dein Geist schafft und tut."
Mir kommen die Tränen, wenn ich das schreibe, denn genau das habe ich in diesem Jahr erlebt. Der Vers steht im Zusammenhang mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten durch das Schilfmeer, wo Gott ein Riesenwunder getan hat. Die Israeliten singen Gott ein Lied, aber schon ein Kapitel später beginnen sie zu murren, weil sie hunger haben. Die alltäglichen Sorgen lassen sie die Größe Gottes vergessen. Gott aber lässt Manna und Wachteln vom Himmel regnen und versorgt sein Volk, weil er es so versprochen hat. So geht es 40 Jahre hin und her zwischen Murren und Danken, bis Gott sie aus der Wüste ins verheißene Land führt.

Gott führt uns manchmal in die Wüste, aber er lässt uns keinen Tag allein. Ich habe in dem Jahr gelernt, ihm in großen Sachen zu vertrauen, was ich noch mehr lernen will ist, auch im Alltag nicht zu schnell zu verzweifeln und zu murren und ihm auch die kleineren Sorgen zu überlassen.

So wünsche ich Euch für das Weihnachtsfest und das kommende Jahr den Segen und den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft ;o)

Ich danke euch fürs Lesen, Mitfiebern, Mitbeten und für eure ermutigenden Worte im letzten Jahr.

Eure Kerstin



Dienstag, 4. Dezember 2012

Newsletter 12: Die Bestrahlung


Meine Lieben,

ich sitze gerade wieder in meinem Chemotaxi (jetzt: Bestrahlungstaxi) mit aktueller Schlagermusik. Seit ich jeden Tag fahren muss hab ich das Notebook dabei und schreibsel vor mich hin. Ich lasse das Jahr nochmal revue passieren.

Die zweite OP habe ich insgesamt gut überstanden. Die Wundheilung war diesmal sogar noch schneller. Kaum war ich eine Woche Zuhause war ich am Wochenende schon wieder beim Notdienst, wegen einer Blasenentzündung. Also wieder Antibiotikum schlucken. Drei Wochen später hatte ich von einem auf den anderen Tag eine Mittelohrentzündung und musste schon wieder zum Notdienst, der mir wieder Antibiotikum verschrieb. Das ist jetzt drei Wochen her. Zwar hör ich auf dem linken Ohr im Moment noch wenig, aber ich dachte jetzt hab ich es mal geschafft und mach mal wieder Sport. Seit dem Wochenende hab ich Halsschmerzen, Schnupfen und seit heute Nacht Husten. Muss ich jetzt schon wieder zum Arzt? Morgen hab ich nochmal Hörtest und am Donnerstag muss ich mit meinen Kindern zum Impfen und mit Louis zum Augenarzt. (kurze Bestrahlungspause- 10 Minuten später:) Wie ihr seht, bin ich neben der Bestrahlung voll beschäftigt. Ansonsten hüpfe ich als Schneemann im Kinderturnen umher (Nikolausfeier lässt grüßen) oder organisiere das ein oder andere "Event". Die Weihnachtsbäckerei hab ich kurzfristig wieder eingestellt, nachdem Louis genau 10 Ausstecher machte und ich am Ende mit mehlbestäubter Jael und zwei Händen zuviel (oder meinerseits zu wenig) nichts rechtes mehr zustande brachte.

Bestrahlung:
Vor zwei Wochen hatte ich wieder einmal ein Aufklärungsgespräch. Ich war ganz beschwingt, nach der OP jetzt auch diese letzte Hürde in Angriff zu nehmen. Bestrahlung soll ja nicht so schlimm sein. Ein bisschen Müdigkeit und Sonnenbrand. Ich saß im Wartebereich mit einer spannend bunten Zeitschrift, da kam die Ärztin, und meinte im Vorbeigehen "Mitkommen"! Im Sprechzimmer setzte ich mich ihr gegenüber an den Tisch. Sie begrüßte mich nicht einmal und schrieb in ihren Computer. Irgendwann fing sie an: "Wurden Sie schon zu Bestrahlung aufgeklärt?" Ich: "nein"(deshalb bin ich doch da!) "Na, dann müssen wir das halt auch noch machen." Dann erzählte sie mir in einem Leierton, wie die Bestrahlung abläuft. Ich musste meinen Oberkörper frei machen und auf eine Liege sitzen. Im nächsten Moment war sie durch die Tür verschwunden, die Tür stand aber sperrangelweit auf. Jeder auf dem Flur hätte mich sehen können! Dann war sie wieder da, ich musste mich hinlegen und sie machte Fotos von mir und setzte sich wieder an ihren PC. Ich lag weiter halb nackt auf der Liege. Nach einer gefühlten Ewigkeit fiel ihr wohl ein, dass ich immer noch dalag und ich durfte mich anziehen.

Bei den Nebenwirkungen hatte sie es mit der Grammatik nicht so ganz drauf. Sie sprach zwar deutsch, aber mit Akzent. Statt zu sagen, das und das könnte passieren sagte sie immer das und das "wird" passieren. Zum Beispiel "werde" ich eine stehende Brust bekommen, als ob ich ein Implantat drin hätte. (Aha?) Dann "werde" ich braune Flecken bekommen. Ich müsste dann halt schauen, dass ich einen Bikini finde, der das Meiste verdeckt. (Okay?) Außerdem ist die Strahlentherapie selbst krebserregend. Ich werde in 20-30 Jahren höchstwahrscheinlich wieder an Krebs erkranken, aber nicht in der Brust sondern in den Bronchien oder in der Leber.(Okaaaay???). Kurze Frage: "Wieso mach ich die Bestrahlung überhaupt????" Antwort: "Wir wollen den Krebs bekämpfen, den sie aktuell haben, was in den nächsten Jahren sein wird, weiß der liebe Gott." "Und was, wenn ich auf die Strahlentherapie verzichte?". "Dann haben sie eine Risiko von 50 Prozent, dass der Krebs wieder kommt." Jetzt begann sie unglaubwürdig zu werden, außerdem gab sie mir das Gefühl, dass sie von "mündigen" fragenden Patienten nicht viel hielt. Als sie dann wegen der Verordnung für das Taxi auch noch blöd machte und mich einfach nur für zu bequem hielt, war es bei mir vorbei.

Zuhause musste ich das Gespräch erst wieder verdauen. Ich holte mein schlaues "Überlebensbuch Brustkrebs" und las nach, was die Statistiken zur Bestrahlung sagten. In meinem Fall bringt mir die Bestrahlung gerade mal 15 Prozent mehr Überlebenschancen. Ich geb normalerweise nicht so viel auf Statistiken, aber in dem Fall ging es mir einfach nur darum, dass die Ärztin mich anscheinend für blöd genug hielt, ihr zu glauben. Daran, dass die Strahlentherapie selbst so krebserregend sein soll, hatte ich noch länger zu knabbern und auch keine Statistik gefunden.

Wegen dem Taxi suchte ich meinen Gynäkologen auf, der mir sofort die Verordnung ausstellte. Hätte ich mit dem Zug fahren müssen, wäre ich jeden Tag 2h und 15 Minuten unterwegs gewesen und hätte Rücken an Rücken oder Rücken an Bauch oder Bauch an Bauch mit anderen schniefenden Menschen gestanden- gute Idee!

Gut, beim nächsten Termin wurde ich eingezeichnet und tätowiert. Insgesamt waren es nur 15 Stiche, ganz mini kleine Punkte an sehr empfindlichen Stellen. Damit sie nicht auffallen hatten sie braune Tusche gewählt. Ich war zufrieden. Allerdings sollte die Zeichnung auf meinem Oberkörper eine Woche halten. Schon am Abend war die Hälfte der Sudelei an meinem Top und eine Woche später war kaum noch was zu sehen. Am CT wurde dann eine erste Simulation durchgeführt und am nächsten Tag sollte ich die erste Bestrahlung bekommen. Meine Bestrahlungstermine sind jetzt jeden Tag um 8 Uhr. Das ist am Morgen etwas stressig, dafür bin ich meistens schon um 8:30 Uhr wieder Zuhause.

Ok, ich komme an und darf gleich als Erste in die Umkleidekabine und den Oberkörper frei machen. Dann spaziere ich mit einem Tüchlein bedeckt in den Bestrahlungsraum und darf mich auf die Bank legen. Dann werde ich an verschiedenen Stellen geschoben und gedrückt, bis ich richtig plaziert bin. Die Bestrahlung selbst dauert ca. 5 Minuten. Mir ist da immer sehr kalt. Kein Wunder, dass ich mit den Leuiten nicht so recht warm werde. Bei den ersten Malen hatten sie Schwierigkeiten meine Tätoos zwischen meinen Leberflecken zu unterscheiden. Zum Schluss standen drei Leute mitsamt Ärztin da und diskutierten, welches die richtigen Punkte sind. Ich hatte zweimal gesagt: "Ich weiß, welches die Punkte sind, ich zeig`s Ihnen!" Das kam leider nicht so gut an, denn ich bekam gleich eine schnippische Antwort: "Das machen wir lieber selber!".

Mittlerweile halte ich mich daran, nur noch "Hallo" und "Tschüß" zu sagen, für Spässle sind die hier nicht zu haben. Ich hab meine Habseligkeiten für die Bestrahlung jetzt in eine Stofftasche des Diakoniekrankenhaus gepackt und laufe damit durch die Gänge. Ein bisschen Konkurrenzdenken kann in dem Laden nicht Schaden.

Jeden Freitag habe ich noch ein Arztgespräch. Diesmal hatte ich mich gewappnet und wollte die Ärztin wegen der Statistiken zur Rede stellen. "Leider" war SIE heute verhindert und eine junge Ärztin vertrat sie. Kurzum, die war nicht so abgebrüht, wie die erste und sie bestätigte mir, dass das mit den 50 % nicht stimmt. Deshalb nahm ich meinen Mut zusammen und fragte, ob sie mich nicht weiter betreuen kann. Und es Klappte! Bin so froh!

Jetzt habe ich schon 11 von 30 Bestrahlungen hinter mir und schaffe es vielleicht noch vor Weihnachten fertig zu werden. Mittlerweile wird die Haut ganz leicht gerötet, ansonsten bin ich nur müde. Wenn ich aber so in die Gesichter schaue, geht es vielen so bei so viel Novemberrain.

Manches was sich geschrieben so positiv anhört, war für mich in dem Moment nicht so witzig. Erst im Nachhinein kann ich viele Dinge leichter sehen und mich über manche Situationen sogar amüsieren. Das ist das heilsame beim Schreiben, denke ich.

Mein Äußeres
Seit Mitte Oktober bin ich oben ohne unterwegs und habe meiner Perücke und den Tüchern Adee gesagt. Ich muss sagen, dass mir die kurzen Haare ganz gut gefallen. Die Haarfarbe ist noch etwas undefiniert, kann man aber tönen. Dominik findet, ich sehe aus wie eine "Emanze". Damit hat er mir wahrscheinlich ungewollt ein Kompliment gemacht. Meine Cortisonpfunde bin ich auch schon wieder los geworden (6 kg in 3 Monaten) so dass ich mich in meiner Haut und meinen Haaren wieder richtig wohl fühle. Ein Außenstehender hält mich wahrscheinlich eher für eine "Emanze" als für eine Frau, die gerade Chemo hinter sich hat. DIe OP hat mich jetzt auch nicht entstellt.

Samstag, 13. Oktober 2012

Newsletter 11: Das dicke Ende vom dicken Ende



Meine Lieben,

wird mal wieder Zeit, dass ich die letzten sechs Wochen aufarbeite und diesmal ganz der Reihe nach:

Die Chemo verlief an jenem Freitag nach Plan (nur 80 %-Dosis) so dass ich am Freitag zuhause noch das Chaos der Woche beseitigen und am Samstag packen konnte. Am Abend waren wir noch auf einem Grillfest bei Nachbars eingeladen und um 24 Uhr sollte es losgehen in den Norden.

Die Fahrt verlief soweit gut, so dass wir schon um 9:30 Uhr in Büsum am Strand saßen, das Wattmeer vor unseren Augen. Louis konnte nicht begreifen, dass das der Strand sein sollte von dem wir ihm immer vorgeschwärmt hatten. Nachdem ich ihn darüber aufgeklärt hatte, dass es sich bei den Erdhügelchen um Kacka von Wattwürmern handelte, konnte er sich nicht mehr für das Watt begeistern.

Am Nachmittag holten wir in St. Peter Ording den Schlüssel zur Ferienwohnung und räumten erst mal ein. Ich war hundemüde, hatte Kopfschmerzen durch den Schlafmangel und konnte mich kaum noch aufrecht halten. Als ich den Kulturbeutel auspackte viel mir der Fieberthermometer in die Hand und ich steckte ihn mir spasseshalber mal in den Mund: 38,2 Grad, uuups, oh nein! Was jetzt? Das kommt bestimmt noch von der Chemo oder der Anstrengung des letzten Tages. Insgeheim habe ich mich über meinen Dickkopf geärgert, dass ich nicht auf die Ärzte gehört habe. Ich entschied mich erst einmal Ruhe zu bewahren, zu beten und ins Bett zu gehen. Am nächsten Tag war das Fieber weg! Ich richtete den Frühstückstisch und die Geschenke für Louis. Die größte Überraschung des Tages war dann aber leider, dass Louis Fieber bekam und den halben Geburtstag auf der Couch verschlafen hat. Ich ging mit Jael in der Zeit Busfahren: St. Peter Ording rauf und wieder runter.....

Dienstag hielt das Fieber noch an und am Mittwoch bekam Jael Fieber so dass wir den halben Nordseeurlaub in der Ferienwohnung vor dem Fernsehen oder im Kinderhaus verbrachten. Das Wetter war eh nicht so prickelnd. Einmal waren wir in Ording am Strand und haben Drachen steigen lassen, so lange bis Jael wieder Fieber bekam. Insgesamt hatten wir aber trotzdem Freude an unserem Gammeldasein vor der Glotze.

Wieder vollständig regeneriert fuhren wir am Sonntag darauf an die Ostsee. Am Weissenhäuserstrand war es dann sehr kalt, so dass wir die meiste Zeit im Erlebnisbad verbrachten und leider nicht am Strand. Einmal waren wir in einem Eselpark und haben uns für eine Stunde eine Eselkutsche gemietet. Der Esel lief genau bis vor die Hofeinfahrt und nicht mehr weiter. Wir also auf die laminierte "Gebrauchsanweisung" geschaut:" Bitte den Esel nicht schlagen und nicht zu sehr ziehen und schon gar nicht füttern." Ich habe also mein Bestes versucht, dann kam Dominik an die Reihe. Nix ging und ich werde das Bild nie vergessen, wie Dominik mit allen Mitteln versucht hat den Esel von der Straße abzudrehen, damit der Linienbus durch konnte. Es war einfach nur zu komisch. Dann kam der Eselpfleger mit dem Radel um die Ecke, rief nur ein ermunterndes "Sina, hopp" und schon sprang der Esel los- so lange bis der Pfleger wieder ums Ecke war. Ah, so einfach geht das also. Wir haben dann also angefangen gut auf die Sina einzureden (die Nachbarn mussten uns für bekloppt halten)- egal, als eine halbe Stunde um war und wir gerade mal 30 m geschafft hatten wurde es mir zu blöd und ich packte meinen Apfel aus der Tasche und hielt ihn dem Esel bis zum Schluss unter die Nase. So haben wir doch noch eine Strecke zurück gelegt. Den Apfel hat die liebe Sina allerdings nicht mehr bekommen.

Gut, das war also unser Urlaub. Wir haben feststellen müssen, dass er leider nicht so erholsam war, dafür hatten wir eine gute Zeit als Familie. Die Erholung konnte ich ja dann im Krankenhaus nachholen. Schon am Dienstag wurde ich vorstationär aufgenommen und am Mittwochmorgen operiert. Dank meiner Rollvene hatte ich die schlimmsten Schmerzen, bis sie meinen Zugang gelegt hatten. Alles lief soweit gut. Ich bin gleich nach dem Aufwachen im Zimmer zum Topf spaziert und habe einen Apfel gegessen- hab mir nichts dabei gedacht. Die Schwester fand das später dann nicht so lustig und guckte mich nur ungläubig an.

Das Gesamtresultat sah im Grunde auch nicht schlecht aus, da der Tumor ja mehr unter der Achselhöhle als in der Brust lag.

Hier in der Frauenklinik wird gerade saniert. Ich lag im letzten Zimmer, hinter meinem Kopfende die Baustelle. Manchmal war es zu laut zum telefonieren und Fernsehschauen. Meine Zimmernachbarinnen kamen bald drüber raus- was mich dann schon fast amüsierte.

Apropos ich muss euch noch von Susanne erzählen. Susanne kenne ich aus unserer Gemeinde und sie gehört zum Freundeskreis meiner Eltern. Susanne hatte vor 5 Jahren die selbe Diagnose wie ich, weiter fortgeschritten zwar, aber eben gleiche Krebsart. Sie habe ich, als einige der Ersten, nach meiner Diagnose kontaktiert und um Rat gefragt. Sie hatte mir die Kontaktdaten von ihrem Operateur gegeben und zur Uniklinik geraten, wo ich schließlich auch gelandet bin. Als ich dann in der Uni zu meinen OP-Vorbereitungen war, mit meinem Laufzettel in der Hand, lief mir wieder Susanne über den Weg, die wegen ihrer Nachsorge in der Klinik war. Und als ich dann einige Tage nach der OP am Bahnhof stand, um mir in Freiburg den Port implantieren zu lassen, fuhr sie zufällig auch in die Stadt und klärte mich erst einmal darüber auf, dass mir heute eine richtige OP bevorsteht und was ein Port überhaupt ist. Ich war völlig unvorbereitet und dankbar für die Vorwarnung . Susanne kam während der Chemozeit immer wieder bei mir vorbei . Während der EM hatten wir während einer Liveübertragung auch mal ein gutes Gespräch über meine Ängste und wie sie mit ihren umgeht. Das hat mir sehr weiter geholfen. Ich bin der Überzeugung, dass nichts zufällig ist und so hat es Gott auch geschenkt, dass wir beide zur selben Zeit operiert werden sollten. Susanne hatte in diesem Sommer wieder starke Beschwerden, diesmal an der anderen Seite, so dass ihr ein Teil der Milchgänge entfernt werden mussten. Gott sei Dank- wissen wir heute, dass die Befunde gutartig waren. Tja, so lagen wir dann zusammen im Zimmer. Halb Ihringen war hier und am Freitagabend gab es zur Ibuhexaltablette auch noch Pizza und Rotwein- lange nicht mehr so gut geschlafen. Am Samstag durfte ich dann heim. An Susanne sehe ich, was ein Leben mit Krebs bedeutet: ein Auf und Ab, aber es auch so zu nehmen, wie es kommt und dankbar zu sein für jedes gesunde Jahr, das wir erleben dürfen.

So, jetzt habe ich wieder die Gabi für 8 Stunden am Tag, weil ich 3 Wochen nicht schwerer als 1 kg heben darf. Mit den Kindern wird es bei jedem Mal schwieriger. Louis und Jael haben immer mehr Trennungsängste und ich wäre froh, wenn langsam etwas Ruhe einkehren würde. Allerdings hatte ich 14 Tage nach der OP (diesen Mittwoch) dann einen Termin am Münsterplatz zur Wundkontrolle und Befundbesprechung. Die Ärztin sagte gleich, dass es gut war, dass sie operiert hätten, da tatsächlich noch Krebszellen im Gewebe vorhanden waren. Leider wurden in 2 Rändern(0,5 cm Sicherheitsabstand) noch veränderte Zellen gefunden, so dass ich nochmal operiert werden muss! Damit hatte ich gar nicht gerechnet! Ich hatte die Wahl zwei Wochen zu warten oder gleich am nächsten Tag operiert zu werden. Trotz Herbsttrubel Zuhause entschied ich mich für den nächsten Tag, weil sonst auch die Bestrahlung zu sehr in die Weihnachtszeit rutscht. Statt in die Stadt zum Bummeln musste ich anschließend wieder den halben Tag in die Uni fahren und die Voruntersuchungen und das Anästhesiegespräch über mich ergehen lassen.

Tja, und so liege ich heute (Freitag) wieder in der Frauenklinik, Station Hegar. Diesmal bin ich nicht ganz fit nach der Narkose und torkel durch die Gänge. Bin schon gespannt, was sie diesmal übrig gelassen haben bzw. wie groß das Loch ist. Warten wir mal ab, bald weiß ich mehr.

Heute (Samstag) geht es mir schon viel besser. Die Wunde sieht ganz gut aus, so dass die Drainage heute raus kann und ich morgen nach der Visite heim kann. Dank meines „Verhandlungsgeschicks“ (der Arzt verdreht schon die Augen) könnte ich auch heute Abend noch die Koffer packen oder morgen vor der Visite abhauen. Morgen ist in der Gemeinde das Erntedankfest, das mag ich nicht verpassen.

Wenn ich nicht nochmal operiert werden muss, bekomme ich in den nächsten 3-6 Wochen die erste Bestrahlung.

Bis dahin wünsche ich euch einen leuchtenden Herbst

Kerstin

Ps. Meinen hässlichen Tiefpunkt habe ich zum Glück überwunden und die Wimpern und Augenbrauen wachsen nach. Ich hoffe nur noch, dass das Haar auch dichter wird und nicht so licht bleibt wie bisher.

Sonntag

Konnte tatsächlich gestern abend noch das Weite suchen, als eine blutende Frau mit kleinem Baby eingeliefert wurde. Ich zeigte meine mitleidige Seite und bot dem Ehemann mein Bett an. Letztendlich waren die Familie und K-Schwestern ganz glücklich über mein Angebot und erst recht ich selbst. Adieu Krankenhaus- hoffentlich auf nimmer Wiedersehen!

Mittwoch, 5. September 2012

Newsletter 10: Das dicke Ende




Ihr Lieben,

wie ihr alle wisst, sollte heute meine letzte Chemo sein. Ich habe bis vor zwei Wochen mit der Buchung unseres Urlaubs gewartet: eine Woche St. Peter Ording und im Anschluss eine Woche am Weissenhäuserstrand.
Samstagnacht sollte es losgehen, so dass wir am Montag ganz entspannt Louis Geburtstag im Urlaub feiern können. Er freut sich schon seit Wochen darauf und auch Dominik und ich sind voller Vorfreude, nach zwei Jahren Umbau, Schwangerschaft und Chemo endlich wieder mal Zeit mit der ganzen Familie zuhaben. Am 26.September steht schon die nächste Op an. Soweit so gut.

Dominik wurde dann letzten Mittwoch übel und lag fast zwei Tage nur im
Bett. Ich habe versucht die Kinder und mich so gut es geht von ihm fernzuhalten.
Letzte Samstagnacht hatte ich einen seltsamen Schlaf und am Morgen
gribbelten mir die Fußsohlen. Oh nein, dachte ich, jetzt bekomme ich
doch noch einen Denkzettel an die schöne Chemozeit. Musste in der letzten
Woche auch feststellen, dass ich so langsam Gedächtnislücken bekomme und
am Abend schon nicht mehr weiss, was ich am Morgen gemacht habe. Beim
Aufstehen merkte ich, dass es mir auch sonst etwas schummrig war.
Deshalbging ich gleich mal ins Bad, um Fieber zu messen. 38,2 Grad, na
das gehtja noch! Vielleicht ist es bis heute Mittag zur Hochzeit ja
wieder weg. Aber moment mal, ich muss doch sofort in der Uni anrufen,
wenn ich über38 Temperatur habe. Ich, also die Notfallnummer gewählt.
Die Dame meinte freundlich, dass ich meine Sachen packen und gleich
vorbei kommen sollte. Ich fragte nur, ob es denn so schlimm sei?! "Na,
sie sind gut! Sie bekommen Chemotherapie und haben Fieber, das ist immer
ernst!" "Aha!" Gut, wir also die Sachen gepackt, die Kinder verteilt und
in die Uni gefahren. Nach meiner Vorstellung war klar, dass ich für zwei
bis drei Tage bleiben muss und Antibiotika bekommen würde. Ok, dachte
ich, das kriegen wir dann ja noch alles mit der Chemo hin. Leider bekam
ich Sonntag höheres Fieber und auch Montag blieb der Thermometer bei 39
Grad hängen. Die Blutwerte waren soweit in Ordnung, den Ärzten war es
ein Rätsel. Dann hieß es, dass die Chemo so diese Woche nicht
durchgezogen werden kann und dass ich noch länger bleiben müsste.

Ich war kurzzeitig echt verzweifelt, aber fest davon überzeugt, dass das
Fieber morgen weg ist. Der Arzt hat mich total unverständig angeschaut
und gesagt: "Das können Sie nicht beeinflussen!" Ich darauf: "Doch,
irgendwie kann ich das schon." Ich wollte es Louis nicht antun, ihn
wieder zu vertrösten. Deshalb wollte ich persönlich mit der
Stationsoberärztin der Chemoambulanz sprechen. Gestern war das Fieber
tatsächlich weg und ich konnte die Ärztin davon überzeugen, dass ich die
Chemo am Freitag noch bekommen soll, wenn die Blutwerte am Donnerstag
stimmen.

Gut, jetzt darf ich also morgen heim! Ich vermisse meine Kinder sooooo!
Für Dominik waren das auch wieder anstrengende Tage. Morgens arbeiten,
nachmittags die Kinder. Jael wurde von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr wieder von
einer neuen Dorfhelferin betreut und bis um 14 Uhr haben wir sie sonst wo
verteilt. Ausgerechnet diese Woche ist meine Schwägerin nach Ägypten
und ein Teil meiner Familie nach Spanien zur Hochzeit meines Cousins
verreist. Wenn diese Woche rum ist und wir am Wochenende im Auto sitzen, mache ich
drei Kreuze.

Das Zimmer im Krankenhaus habe ich mit Oma Lemke aus Merdingen und einer
schrulligen alten Frau Morthon geteilt. Hut ab vor Frau Lemke! Die Frau
hat echt Humor. Zuerst dachte ich, dass sie nichts versteht, weil sie
nie ein Wort geredet hat, aber das war wohl ihre Taktik. Frau Morthon
war "Stehts bemüht" ALLES selber zu machen und Frau Lempke zu bemuttern
nicht ohne den Schwestern bei jedem Rundgang zu sagen, was sie alles
alleine geschafft hat, was Frau Lemke gesagt, weiviel sie getrunken und
was Frau Lempke in der Nacht alles angestellt hat und was ihre Tochter
für ne Superfrau ist.... Üble Sache. Ich kann eigentlich viel ertragen,
aber bei der Frau musste ich mich total beherrschen. Ich war so dankbar
für den Paravant, den eine Schwester irgendwann zwischen uns aufgebaut
hat. Zwei total gegensätzliche Frauen in fast gleichem Alter: die eine
musste schon um 6 Uhr ihren Kaffee haben,war den ganzen Tag nur mit
ihrer Köperhygiene beschäftigt und ging den ganzen Tag ihren Mitmenschen
auf die Nerven, mit ihrem Gejammere über ihr Aussehen. Die andere Frau
musste auf den Topf gesetzt werden, musste dort in "aller Öffentlichkeit"
ihre Notdurft verrichten und sich dabei noch blöde Sätze der Schwestern
anhören und trug das mit Humor und Würde. Niemals ein unfreundlicher Ton
oder eine Beschwerde. Unglaublich schön die Frau, mit weißem lockigem
Haar und gütigen, lachenden Augen eine "Bilderbuchoma" sozusagen.
Jedenfalls war Frau Morthon am Dienstag entlassen worden und kaum war
sie fort, konnte Frau Lempke reden. Hab sie gleich heute Nachmittag auf
einen Kaffee in den Park eingeladen. Bis sie aber auf dem Topf und
angezogen war, ihre Infusion noch hatte und im Rollstuhl saß war es
16:30 Uhr und die Sonne leider schon weg gewesen..

Bei meinen zwei Zimmergenossinnen muss ich an ein Buch denken, das ich
gerade gelesen habe. Da ging es um die unterschiedlichen Lebensphasen,
wie Sturm und Drang, Mitlife-Crises und die Lebenskrise ab 65 J. in der
es darum geht loszulassen. Meine beiden Zimmergenossinnen sind alt, die eine hat ihre
Lebenkrise schon überwunden, die andere kann einfach noch nicht loslassen
und macht alle drum herum verrückt. Menschen mit lebensbedrohlichen
Krankheiten machen diese Lebenskrise ab 65. meiner Ansicht nach früher
durch und sind damit mehr oder weniger erfolgreich. Gerade wurde das
Bett von Frau Morthon wieder belegt. Eine Frau mit 60 Jahren, bei der im
August bei einer Routineuntersuchung Krebs diagnostiziert wurde. Sie und
die ganze Groß-Familie sind total aufgelöst und panisch. Ich bin einfach
nur froh, dass ich mich mit dem Thema "Loslassen" schon viel früher
einmal auseinander gesetzt habe, so dass ich nicht in so eine
Schockstarre gefallen bin: Mensch- bedenke, dass du sterben musst, auf
dass du klug wirst!
Habe am Samstag und Sonntag nur geschlafen, am Montag nur gelesen und am
Dienstag Fernseh geschaut u.a. ein Interview mit Samuel Koch. Ich hab
von dem jungen Mann noch nicht so viel mitbekommen. Weil wir doch keinen
Fernseher Zuhause haben, hab ich ihn das erste mal gesehen. Auf
jedenfall einfach krass, wie er sein Schicksal in die Hand nimmt. So
jemand bewundere ich.

Wie gesagt habe ich am Dienstag Fernseh geschaut und mich auf den
Sat1-Film gefreut. Ausgerechnet an dem Abend musste ein Film kommen, in
dem es darum geht, dass die Frau, die Krebs hat, noch bis zum Geburtstag
ihrer Tochter leben möchte, den Tag noch erlebt und dann tatsächlich
stirbt. Danach kam noch eine Reportage über betroffene Frauen. Mir sind
von Anfang bis zum Ende die Tränen gelaufen. Ich war voll verheult, als
die Nachtschwester ihre Runde gemacht hat. Heute morgen hat mich die
Morgen-schwester angesprochen und gemeint, dass ich ziemlich Urlaubsreif
wäre, von der Psyche her. Wieso? habe ich gefragt, worauf sie meinte,
dass sie es bei der Übergabe davon gehabt hätten.....mir wird gerade erst
klar,wie die Schwester drauf gekommen ist.

Apropos Schreiben. Ich habe gelesen, dass es extra Schreibwerkstätten
für Krebspatienten gibt. Merke langsam auch, dass der Newsletter für
mich auch eine Art Therapie ist. Ich mache mir im Alltag oft Notizen
über Dinge, die mich gerade beschäftigen und dann in einer ruhigen
Minute mache ich mir meine Gedanken darüber und schreib sie auf- mache
mir weniger Gedanken darüber, ob es euch interessieren könnte, sorry.

Aber es interessiert euch doch bestimmt, was aus meinem Chemotaxi
geworden ist?
Also, das letzte Mal als ich Chemo hatte ist mir kühler Wind um die Nase
geblasen. Ich hab mich gewundert, hab aber nix gesagt. Dann erzählt mir
der Taxi-Fahrer aber, dass er zu seinem Chef gegangen ist und gemeint
hat, dass sie bei dem Autokauf vor drei Jahren einen Fehler gemacht
hätten, weil sie auf die Klimaanlage verzichtet hätten. Darauf meinte
sein Chef: Wieso- das Auto hat doch Eine! Wunderbar! Ich könnte mich
wegschmeißen vor Lachen.

Donnerstag 06:38 Uhr

Oh Mann, das war eine Nacht! Bin froh, dass ich heute heim darf! Gestern
Abend ist das Handy der Dame bis 22 Uhr nicht mehr still gestanden. Die
Schwester hat mit ihr die OP-Planung besprochen, gesagt, dass sie morgen
ungeschminkt als erste am Morgen auf dem OP-Tisch liegen wird. Die Dame
brauchte dann gestern Abend eine Stunde, bis sie sich an ihrem kleinen
Tischspiegelchen abgeschminkt, gecremt, gezupft und ihren Schmuck
abgenommen hatte. Dann hat sie ihren Kimono angezogen und Ewigkeiten ihre
Kleider sortiert. Heute morgen um 5:45 Uhr stand sie auf, um sich zu
waschen, ihre 2cm-Frisur zu föhnen und wieder ihre Kleider zu sortieren.
Die Frau ist somit sich selbst beschäftigt, dass sie für andere drum
herum kein Gespür mehr hat. Die Dame bestätigt meine Theorie über die
Lebenskrise voll!

So jetzt geh ich mal duschen....

11.30 Uhr
Endlich Zuhause! Morgen Chemo, wie geplant und dann Tschüß!

Sonntag, 12. August 2012

Newsletter 09: Chemoalltag

Hallo ihr Lieben,

für alle "Zurückgelassenen" dieses Sommers gibt es wieder mal was zu lesen:

Was gibt es Neues? Im Grunde nichts. Die Chemo gehört mittlerweile voll zum Alltag dazu. Sogar die blonde Assistenzärztin sticht jetzt, ohne mit der Wimper zu zucken (ich mag sie jede Woche mehr). Als ich letzte Woche ging, war ein Nachbarsjunge da und fragte, wohin ich denn gehe, da meinte Louis ganz beiläufig während er seinen Sandkuchen baute "zur Chemotherapie".
Abends bin ich immer völlig Platt, aber schon am nächsten Morgen bin ich wieder voll auf den Beinen. Die ersten Wochen bin ich von dem Cortison abends nicht mehr runter gekommen und konnte nächtelang nicht schlafen. Am Ende hab ich mich so sehr reingesteigert aus Panik vor der Nacht, dass ich jetzt Antidepressiva nehme, um abends die Kurve zu bekommen. Ab 20 Uhr ist mit mir jetzt nicht mehr viel anzufangen. Deshalb steh ich früher auf und lauf ne Runde auf meinem Crosstrainer bei frisch machender Pink-Punk-Rockmusik.

Gabi ist die letzten 8 Wochen jeden Mittwoch mit den Kiddies ins Schwimmbad gegangen- jedes Mal das schönste Wetter. Wenn ihr für ein Vorhaben schönes Wetter braucht- nehmt den Mittwoch, den habe ich noch vier Wochen so bestellt!
Einmal war es so heiß, dass ich nach der Taxifahrt (ohne Klimaanlage) 38 Grad Fieber hatte und erst bis 37,5 abkühlen musste, damit ich antreten konnte. Armer Taxifahrer. Vielleicht sollte er an heißen Tagen einfach den Fieberthermometer mitnehmen und sich bei 38 Grad Körpertemperatur krank schreiben lassen. Vielleicht sieht es sein Arbeitgeber dann ein, ihm ein Taxi mit Klimaanlage bereit zu stellen. (Das muss ich ihm nächstes Mal unbedingt vorschlagen...)

Wir haben in der letzten Zeit Dominiks und Jaels Geburtstag gefeiert. Es waren sehr schöne Abende, trotz Cocktails in alkoholfreier Variante für mich.  Ansonsten haben wir das schöne Wetter im Schwimmbad, auf dem Mundenhof und auf der Sommernachtsparty genossen, gell Ina?

Gabi ist leider nur noch eine Woche da und hat dann drei Wochen Urlaub. Danach kommt evtl. "die Andere" zurück- seuft. Dominik wird dann den Rest der Chemo Halbtags arbeiten. Danach wollen wir für zwei Wochen an die Ostsee, bevor die OP ansteht.


Auf ein Wort (für, die die es mal wissen wollen)
Ich habe auf die letzte Mail mit der "Story vom Pferd" viele unterschiedliche Rückmeldungen von euch bekommen. Viele bewundern meine "innere Kraft" und meinen Glauben und zum Teil sind die Vorstellungen von dem, was ich glaube nicht ganz klar. Außerdem habe ich mitbekommen, dass auch Leute, die mich nicht kennen meine Newsletters lesen.  Deshalb ein kleines Wort dazu, oder wenn wir schon mal dabei sind ein kleines "Gleichnis": 

Stellt euch vor, ihr macht einen Fahrradausflug nach Breisach. Ihr genießt die schöne Landschaft und achtet nicht so sehr auf den Weg, aber plötzlich- was war das? Vor dir geht ein schwarzer Strich quer über den Radweg. Du machst langsam und erkennst immer mehr, dass das eine Ameisenstraße ist. Zu blöd, da gehen ja jedesmal ein paar Kaputt, wenn ein Radfahrer kommt. Du bist ein tierlieber Mensch, deshalb holst du dir ein paar Stöckchen und versuchst die Ameisen umzuleiten und Ihnen Steine in den Weg zu legen, damit sie umdrehen. Zuerst sind die Ameisen verwirrt und drehen um, aber keine Minute später krabbeln sie über das Hindernis drüber und gehen weiter in dei falsche Richtung. DU gibst nicht auf und versuchst dich schriftlich zu verständigen. Aber keine Chance. Im Grunde gibt es nur ein: du wirst selbst eine Ameise und hoffst, dass dir jemand glaubt und dich nicht für verrückt hälst.
So, mit dieser Perspektive lest mal das  Evangelium von Johannes in heutigem deutsch. Da steht in Kapitel.: <Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.> Für mich heißt Glauben nicht irgendwelche religiöse Rituale zu erfüllen oder ein bestimmtes Gebet regelmäßig zu beten und meinen Gott gnädig zu stimmen. Gott war mit mir schon gnädig, weil er Jesus zu uns Menschen geschickt hat. Ich glaube an Jesus, dass er gelebt hat und wieder auferstanden ist, jeden Tag bei mir ist und wiederkommt. Und ich glaube, dass Gott mich liebt, wie ein Vater sein Kind. Mein Glaubensfundament ist die Bibel und ich bin froh ein solches Fundament zu haben, indem Gottes Wort steht und das viele Vorbilder für meine Situation parat hat.
Soweit reicht es mal. Ich hoffe, dass ihr damit was anfangen könnt, falls nicht, fragt nach.

Ganz liebe Grüße auch an die Arbeitsfront
Kerstin

Dienstag, 3. Juli 2012

Newsletter 08: Die Story vom Pferd

Hallo ihr Lieben,
mittlerweile habe ich nur noch 10x Chemo vor mir und ich scheine sie gut
zu vertragen. Bisher konnte ich das schöne Wetter und die lauen Sommernächte voll genießen und das stimmt mich fröhlich.

Nach der Chemo am Mittwoch schlafwandel ich zum SWR4-Taxi und setze meinen
Schlaf dann im Bett fort. Nachts ist dann wieder vorbei mit Schlafen, da mich das Cortison aufpeitscht. Diese "Hyperaktivität" hält dann bis zum
Wochenende an, so dass ich dann am Montag vor lauter Schlafmangel in den Seilen hänge. Mein Magen ist langsam auch beleidigt, aber alles noch im erträglichen Rahmen. Während der Infusion lege ich meine Finger auf EIS, ein Versuch, dass die Nerven an den Fingerspitzen nicht angegriffen werden.

Gabi
Meine Dorfhelferin hält mich derweil auf Trapp. Wir gärtnern zusammen,
entrümpeln und experimentieren neue Kochrezepte. Immer, wenn ich etwas im Kopf habe, rennt sie gleich los und unterstützt mich: "alles, was dir gut tut, Kind" Wir haben viel Spass zusammen und haben einiges zu Lachen. Am Weinfest-Wochenende haben wir beide meinen ganzen Krempel und noch Altlasten von den Vorgängern vor die Türe gestellt und ein Flohmarktschild ans Tor gehängt. Ich habe 300 Euro eingenommen und bin viele hässliche Sachen losgeworden. Das beschwingt- Jetzt habe ich noch eine dekorative Weinpresse im Keller stehen, falls einer von euch Interesse hätte...
Tja, also Gabi ist ein Schatz und macht alles, wozu ich keine Lust habe- sprich, den ganzen Haushalt ;o) So habe ich mehr Zeit und Kraft für meine Kinder und meine tausend Ideen. Ein Hoch auf die Krankenkasse, die sowas noch finanziert.

Krise
Nach der letzten von 4 Chemos hatte ich eine Bronchitis, so dass ich voll ausgebremst war und kaum vor die Türe konnte. Nach zwei Wochen habe ich dann zweifach Antibiotikum bekommen und musste dann trotzdem zur 1. Taxolchemo antreten. Meine Stimmung war am Tiefpunkt. Ich hatte riesigen Respekt vor der neuen Chemo, die mich evtl. 12 Wochen
lahm legt und Langzeitnebenwirkungen mit sich bringen kann. Deshalb hab ich mich wieder mal näher mit meiner Diagnose befasst und mir einen dicken Wälzer gekauft. Die Frage, war für mich schon, ob das denn alles sein muss und ob es keine Alternativen gibt.
Die nähere Beschäftigung damit hat mich dann aber ziemlich deprimiert.
Die Statistik sieht bei "dreifachnegativem Brustkrebs" insgesamt keine
guten Überlebenschancen und das schwarz auf weiß zu lesen macht nicht gerade fröhlich. Jetzt läuft die Taxol-Chemo aber gut an und dann wurde bei meinem letzten Kontrolltermin auch noch festgestellt, dass der Tumor schon verschwunden ist! Das war auch für meinen Prof. erstaunlich und er meinte, dass mein individuelles Rückfallsrisiko nach der Chemo gering ist.
Puuuh-das waren mal wieder gute Neuigkeiten. Vor allem bin ich happy, dass ich soweit den Sommer genießen und nicht daheim liegen muss. Der weitere Plan ist der: nach der Chemo zwei Wochen Pause- danach OP- danach wieder 2 Wochen Pause und dann 5 Wochen Bestrahlung. Ende November wäre ich mit allem durch.

Bei meiner letzten Chemo hatte ich wieder eine Begegnung mit einer älteren Dame aus dem Schwäbischen. Sie erzählte mir von ihrer Diagnose und wie es bei ihr alles gelaufen ist. Am Ende meinte Sie, dass sie jetzt 80 Jahre alt ist und eigentlich nie etwas hatte und warum ausgerechnet sie noch Krebs bekommen musste !!!?? Schon schlimm, oder...?
Wollte euch zum Schluss noch eine "Story vom Pferd" erzählen, die ich mal in einer Predigt gehört habe. Ich hab mir die Geschichte gemerkt und aufgeschrieben....>

In einem chinesischen Dorf lebte ein Bauer, der ein prächtiges Pferd
besaß. Alle beneideten ihn um dieses Pferd. Wenn sie ihn trafen sagten Sie zu ihm: "Was hast Du für ein Glück mit diesem Pferd." Doch der Bauer
antwortete gelassen: "Ob es Glück ist? Wer weiß es?"
Eines Tages lief ihm das Pferd davon. Nun kamen die Menschen im Dorf und
sprachen ihr Mitleid aus: "Was hast Du für ein Pech." Doch der Bauer
antwortete gelassen: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Einige Tage später war das Pferd plötzlich wieder da. Mit ihm im Gefolge
kamen drei Wildpferde. Die Dorfbewohner rieben sich die Augen und waren
sehr verwundert: "Was hast Du für ein Glück!". Wieder antwortete der
Bauer: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Der Bauer hatte einen Sohn. Und dieser versuchte am nächsten Tag eines
der Wildpferde zu reiten. Doch dieses warf ihn ab und dabei brach sich der
Sohn ein Bein. Die mitfühlenden Dorfbewohner spendeten abermals ihr Mitleid: "Was hast Du für ein Pech. Jetzt kann Dir Dein Sohn nicht bei den
Feldarbeiten helfen und Du musst ganz alleine alles schaffen." Doch der Bauer erwiderte nur: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Am nächsten Morgen kamen die Soldaten des Kaisers ins Dorf. Sie
rekrutierten junge gesunde Männer für die Armee, die für den Kaiser in den Krieg ziehen sollte. Als sie den Sohn des Bauern mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn im Dorf zurück. Die anderen jungen Männer des Dorfes mussten mit den Soldaten in den Krieg ziehen und kamen nie wieder zurück


Es ist doch oft so, dass Vieles erst im Nachhinein einen Sinn macht und dass man in den schwierigen Zeiten einfach vertrauen muss, dass Gott den Überblick hat und nur das Beste für einen will.

Seid lieb gegrüßt von
Kerstin

ps. Das Flohmarktfieber hält an. Am Samstag ist in Breisach Riesenflohmarkt. Musste feststellen, dass ein Chemotuch beim Verhandeln durchaus Vorteile hat ;o)

Freitag, 1. Juni 2012

Newsletter 07: Chemohalbzeit

Meine Lieben, 

ja, ich habe tatsächlich schon meine Chemohalbzeit und das schreckliche EC mit der Übelkeit hinter mir. So schnell vergeht die Zeit, wenn man immer von Chemo zu Chemo lebt.  Ich warte im Grunde nur noch auf die Muskelschmerzen, die ich bisher immer am vierten Tag bekommen habe und hoffe, dass ich mich nach dem Wochenende wieder soweit erholt habe.

Ich habe die letzten zwei Wochen vor der Chemo und auch das Pfingstwochenende sehr genossen. Wir waren ja am Bodensee in Überlingen und waren viel baden. Insgesamt merke ich aber, dass meine Kräfte doch weniger werden. Auch meine Walkingstrecken musste ich vom Berg in die Ebene verlagern und auf ne 3/4 h am Tag verkürzen, sonst schaff ich es nicht mehr heim. Die Blutwerte sinken auch so langsam in den Keller, so dass ich am Dienstag noch nicht wusste, ob ich die Chemo bekommen kann. Es hat aber geklappt ;o)
Ich empfinde es immer als eine Gradwanderung, wieviel ich mir jeden Tag zumuten kann und wo meine Grenzen sind- meistens merke ich es erst am Abend. Bin aber trotzdem frohen Mutes, und dankbar, dass ich soviel machen kann.

Ab dem 19.06. bekomme ich dann wöchentlich Taxol, ein Spindelgift, sehr alkoholhaltig, was ziemlich in die Nerven und Fingerspitzen geht. Die Nebenwirkungen verstärken sich dann von Woche zu Woche, so dass ich hoffe, die ersten Wochen ohne große Einschränkungen zu leben. Ich hoffe auch noch so lange es geht töpfern zu können oder bete erst gar keine Nebenwirkungen zu bekommen.

In meinem Ort gibt es jetzt noch eine junge Frau mit Brustkrebs und einem einjährigen Kind. Ich überlege mir, ob ich mich mal mit ihr in Verbindung setze. Ich hab auch diesmal in der Klinik wieder nur ältere Damen um mich gehabt, die alle eine andere Art Brustkrebs und andere Therapien haben und zum größten Teil nur am Jammern sind. Wenn ich mir vorstelle mit solchen Frauen meine Reha verbingen zu müssen, verzichte ich auf die Reha nach der Behandlung und mache mir lieber einen schönen Urlaub mit meiner Familie.

Ich hab nicht sonderlich viel erlebt und bin zu müde zum schreiben, deshalb nur zwei kleine Anekdötchen zum Schluss:

Als wir an der Jugendherberge aus dem Auto ausgestiegen sind, hatte ich nur ein kleines Käppchen an und war auch nicht geschminkt oder "schön zurechtgemacht", weil wir gerade aus dem Thermalbad kamen. Auf jeden Fall kam doch tatsächlich ein 20-Jähriger Bursche an mir vorbei gelaufen und meinte: "Oh je, jetzt kommen die Toten!" Ich war total baff und dachte ich hätte mich verhört- kann es sowas geben? Wohl schon. In solchen Momenten bereue ich es, niemals einen Kampfsport erlernt zu haben. Hätte große Lust gehabt....

Dank meines Taxibringdienstes höre ich das erste Mal in meinem Leben SWR4, meine Eltern sind auch noch eine andere Generation, so dass ich mit dem Sender noch nicht viel in Berührung kam. Mein älterer Taxifahrer steht auf jeden Fall voll darauf und summt gelegentlich auch mit, so gondeln und swingen wir am Morgen als nach Freiburg. Manchmal bin ich genervt von den holen Texten: "Lousianas Lady's wild und schön, lassen keinen Mann, lassen kein Glas stehen..." Dann denke ich wieder, vielleicht sollte ich auch Schlagertexterin werden und einen Song für mein geliebtes Taxi schreiben: "in den Polstern hängt der Rauch, für ne Chemofahrt reicht es aber völlig aus...."
Auf der Heimfahrt, als mir schon ganz schlecht war und ich die Augen zumachte kam dann der Weisheit letzter Schluss: "Take it easy, nimm's leicht auch wenn's für heut mal wieder reicht..." Genau das tut es auch.

So denn euch ein schönes Wochenende und vielen lieben Dank für eure Karten und Antworten auf meine Newsletter auch für die leckeren Erdbeeren und und und. Ich freue mich immer wieder von euch zu hören und was bei euch so los ist.

Liebe Grüße
Kerstin



Dienstag, 8. Mai 2012

Newsletter 06: Jesus loves me

Meine Lieben,

es ist 4 Uhr morgens nach der III. Chemo und ich liege wach. Deshalb fange ich mal an meinen neuen Newsletter zu schreiben. Aber Achtung, der wird wieder lang....

Was seither geschah :o)
Wo fange ich an? Also als Erstes muss ich euch von meiner neuen Perücke erzählen. Keine einfache Sache. Bei der Anprobe hab ich erfahren, dass die Krankenkasse nur 380 € für das Teil übernimmt. Die Kosten für die Haarpracht liegt aber bei 400-800 €. Je nachdem, welches Modell mir steht, muss ich also einiges dafür bezahlen. Ich hab dann alles ausprobiert von langen bis kurzen Haaren. Die kurzen Haare gingen ganz und gar nicht, weil ich damit aussah, wie ich mit 15 Jahren. Die langen Haare sind im Sommer eher unpraktisch und pflegeintensiv. Kurzum, ich habe eine halblange Frisur ausgesucht, mit der Vermutung, dass ich sie doch nicht so oft tragen werde, da ich mich schon so sehr an das Tuch gewöhnt habe. Wegen dem Preis, war ich dann aber doch nervös und siehe da- mein Haarschopf hat gerade mal 388 € gekostet!!!
Das hat mich doch sehr beschwingt. Wie ich damit ankomme? Dominik hat immer ein Grinsen auf dem Gesicht, wenn er mich damit sieht, meine Nichte mag sie lieber als das Tuch und ich traue mich damit nicht auf die Straße, nur, wenn mich niemand kennt. Also hab ich sie zur nächsten Chemo angezogen. s.h. unten

Kleine Episode: bisher habe ich Louis meinen Anblick ohne Tuch so gut es geht erspart. An einem Morgen hat er mich aber unter der Dusche erwischt und mich ganz erschreckt angeguckt: "gell die Chemozwerge haben deine Haare gefressen!" Er hat mich dann zweimal gefragt, ob ich das Tuch wieder anziehe. Als es ihm nicht schnell genug ging, hat er sogar "bitte" gesagt.

Vor zwei Wochen hatte ich eine Kontrolluntersuchung bei meinem Professor. Der Tumor ist schon auf 5X6 mm geschrumpft. Das heißt die Chemo schlägt wunderbar an. Damit man die Stelle wiederfindet, falls der Tumor ganz verschwindet, wurde mir wieder mit einer dicken Nadel ein Metallblättchen in die Brust geschossen (habe wieder das F-Wort benutzt). Ich weiß nicht, wei oft ich schon vorher den Ärzten gesagt habe, dass örtliche Betäubungen bei mir nur in "HOHER" Dosis wirken. Reaktion: " was das spüren sie noch?" -"ehm, jaaaa, F....."

Einige von euch haben mich gefragt, warum die Chemo denn weiter gemacht wird, auch wenn der Tumor ganz verschwinden sollte.
Also, der Tumor ist zwar in meiner Brust, aber er kann sich schon über die Lymphbahnen und die Blutwege verbreitet haben. Dass die Wächterlymphknoten nicht befallen sind und auch noch kein Organ, schließt das leider nicht aus.
Um das Risiko zu minimieren, wird die Chemo gemacht.
Rein statistisch besteht ein erhöhtes Rückfallsrisiko, wenn nur einer der fünf Fälle zutrifft (deshalb wird dann in jedem Fall Chemo gemacht):
- wenn die Frau unter 35 Jahre alt ist
- wenn der Tumor größer als 1 cm ist (bei mir 1,5 cm)
- wenn der Tumor aggressiv ist (bei mir sehr hoch-g3)
- wenn wenn der Tumor nicht-hormonell ist (bei mir der Fall)
- wenn die Lymphknoten nicht befallen sind

Ich hatte die Chemo diesmal auf den Montag verschoben, weil ich das mit dem Wochenende immer so schwierig fand und so Louis im Kindergarten versorgt ist und die Dorfhelferin sich um Jael kümmern kann.
Der Tag fing gut an: Der Taxifahrer ist nicht erschienen und saß noch vor seiner Zeitung als ich anrief. Dann wurde in der Voruntersuchung festgestellt, dass ich 37,7 Grad Temperatur hatte. Deshalb musste noch mal Blut abgenommen werden und ich durfte 1,5 Stunden noch mal "Platz nehmen". Im Wartezimmer wurde es schon bald gesprächig, so dass ich nicht mehr in meinem Buch weiterlesen konnte. Eine Dame aus Stuttgart ist mit ihrem Herren angereist und hat lautstark von ihrem Leidensweg erzählt. Der guten Frau wurden 2,5 kg Tumormasse rausgeschnitten. Der Bauch war total verkrebst. Aber jetzt ist sie wohl über den Berg. Die beiden anderen Frauen sind nach zwei Jahren wieder hier, weil Metastasen gefunden wurden. Die relativ junge Frau neben mir hatte beim ersten Mal auch keinen Lymphknotenbefall. Alle sind sich einig, dass der Krebs leider ein lebenslanger Kampf ist und nicht mit einem Mal erledigt ist. Für mich waren die Gespräche sehr ernüchternd- auch als lautstark über die unnatürlichen Perücken hergezogen wurde (meinen die mich? ;o). Naja, die Prognosen bestärken mich in meinem Vorhaben, nach der ganzen Therapie mind. 3-5h die Woche Ausdauersport zu betreiben, das senkt das Rückfallsrisiko wohl enorm. Ich bin auch die letzten zwei Wochen jeden Tag eine Stunde gelaufen und bin mitgewandert, damit ich fit bleibe (immerhin ist eine Nebenwirkung der Chemo, dass man bei jedem Zyklus 1 kg zunehmen soll! Schade, dass die Chemo-Zwerge keine Fettzellen fressen ;o).
Zurück zur Chemo- mein geliebter Assistenzarzt ist heute nicht mehr da (schade- denn diesmal hätte ich zu ihm gesagt, dass er beim Händeschütteln mal richtig zupacken soll) dafür seine Ablösung- genauso jung, dafür weiblich und blond. Hab mich aber zu früh gefreut, denn sie hat anscheinend noch keine Erfahrung damit eine Infusionsnadel in den Port einzuführen. Bis sie fertig war, standen mir die Tränen in den Augen und ich musste mir eine Schmerztablette geben lassen.
So also, der erste Tag ist gut überstanden, ich bin wieder schlapp und mir wird schlecht, wenn ich zu lange aufstehe. Meine Cortisonbäckchen sind wie immer rosig und rund. Und ich liege wach-

Die beste Nachricht von gestern habe ich euch noch vorenthalten. Dazu muss ich leider noch mal etwas ausholen. Bei meinem Klinikaufenthalt hatte ich ja ein Gespräch mit dem Psychologen, der mir den unbedingten Rat gab, mir schon bald einen Lebenstraum zu erfüllen, der mir auch während der Therapie gut tut. Überleg, überleg...
Mein größter unverwirklichter Traum ist es eine kleine Töpferwerkstatt zu haben. Diesen Traum wollte ich mir evtl. in den nächsten 10 Jahren erfüllen, wenn wir wieder bei Kasse sind und ich mehr Zeit habe. Spaßeshalber habe ich dann aber doch bei Ebay wieder einmal nach einer Drehscheibe geschaut und siehe da- eine super Drehscheibe von meiner Wunschmarke zur Selbstabholung bei Köln gefunden. Meine Schwägerin studiert in Köln, es hat keiner mitgeboten- deshalb kam ich völlig unverhofft und günstig zu meiner Drehscheibe. Habe die letzten zwei Wochen in den Schlafpausen von Jael getöpfert und bin glückselig :o)))
Aber wo das Zeugs brennen? Ich müsste es nach Freiburg zum Vorderhaus (Keramikwerkstatt) transportieren und dann dort glasieren. Etwas umständlich- aber machbar.
Vor zwei Wochen rief mich meine Schwiegermama aufgeregt an, sie hätte in der Zeitung einen Brennofen gesehen- sie ruft mal an. Kurzum, das Teil kostete stolze 3000 €, da es sich um eine Luxusvariante für einen Hoppytöpferer handelt, nur selten für Therapiezwecke gebraucht und gerade 10 Jahre alt. Schön und gut. Ich musste dann erst einmal meiner Schwiegermama klar machen, dass wir im Moment nicht das Geld für sowas haben, auch wenn das Teil nur 500 € kostet. Mein Schwiegerpapa wollte ihn aber trotzdem mal anschauen..
Am Sonntagabend saß ich auf dem Sofa und träumte wieder mal davon, wie das wäre hier selbst brennen zu können. Ich schickte Gott ein kleines Gebet und ladete meinen Wunschzettel bei ihm ab.
Montag morgen- 5 Minuten vor der Abfahrt, rief meine Schwiegermama wieder an. Sie war ganz aufgeregt und erzählte mir, dass sie nochmals bei der Frau angerufen hat, um zu sagen, dass wir den Brennofen jetzt nicht kaufen, da meinte die gute Frau: "Wissen sie was- ich schenke ihn Ihnen! Der steht hier rum und ich brauche den Platz!"
Das ist doch der OBER-KNALLER!!!!!!!!!!!

Ich muss euch sagen, dass ich auch in den letzten drei Wochen so viel Schönes erlebt habe, die ganzen Briefe, jede Woche einen Umschlag ohne Namen und Geld darin, einen Zoobesuch in Karlsruhe und einen geschenkten BRENNOFEN. Ich freue mich einfach jeden Tag und merke, dass viel gebetet wird. Ich habe von unserem Pastor vor der erste Chemo einen Losvers bekommen, den er im Gebet gezogen hat. Psalm 28,7: Der Herr ist meine Stärke und mein Schild; auf ihn hofft mein Herz und mir ist geholfen! Mein Konfirmandenspruch kommt mir auch immer wieder in den Sinn: Seid alle Zeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes.1. Thessalonicher 5,16 Dazu bleibt mir nur ein "Amen" zu sagen.


Jesus loves me
Kerstin

ps. wer mich in den nächsten Wochen/Monaten mal besuchen wollte, kann
sich am Besten ein/zwei Tage vorher melden. Dann weiß ich, ob ich fit
und ihr gesund seid ;o) diese Woche aber nicht.

Freitag, 20. April 2012

Newsletter 05: Chemobeschwerden

Meinen Lieben,

heute, einen Tag nach meinem Geburtstag will ich mich bei euch noch mal für alle Karten, Blumen und Anrufe der letzten drei Wochen bedanken und euch kurz schreiben, wie es mir mittlerweile geht.


Letzten Donnerstag habe ich die zweite Chemo bekommen. Wie das so läuft? Ich muss einen Tag früher anrufen und fragen, ob sie mit meinen Blutwerten zufrieden sind und ob ich kommen darf. Am Donnerstag werde ich von einem älteren Herren (Taxi) in die Uni kutschiert. Dann wird noch der Blutdruck gemessen, gewogen und dann muss ich im Wartezimmer warten, bis mein Chemoarzt mich aufruft. Der gute Mann ist kaum älter als ich, redet kaum deutsch, hat einen schlafwandlerischen Gang, einen Händedruck, wie ein Mädchen...aber ja....Dann werde ich gefragt, welche Nebenwirkungen ich das letzte Mal hatte und welche Medikamente ich denn gerne hätte!? Dann werde ich in einen Raum mit drei bequemen Sesseln gebracht und an die Infusion angedockt. Ich hatte die letzten zwei Male Gesellschaft von einer älteren Dame, die gerne über die Krankenschwestern ablästerte. Eher eine nervige Zeitgenossin. Dann wird mir erst Kochsalzlösung eingeflöst und dann der "rote Campari". Das ganze dauert 2,5 Stunden. In der Zeit renne ich ständig aufs Klo und lese, was in der Bibliothek so rumliegt. Dann werd ich wieder abgeholt. Am selben Tag noch war ich nur etwas schlapp und hatte Blasenschmerzen. Dann konnte ich aber die Nacht überhaupt nicht schlafen von dem Cortison und den Hitzewallungen, die mich 24 h am Tag begleiten. Am folgenden Tag war mir deshalb zeitweise ganz schön elend. Auch von dem scheußlichen Geschmack im Mund. Man möchte die ganze Zeit etwas essen, damit es nicht so fruchtbar schmeckt und andererseits wird einem beim Essen dann ganz schlecht. Das Wochenende danach war für Dominik und mich dann sehr anstrengend. Jael hat seit Samstagnacht kaum eine Nacht länger als drei Stunden am Stück geschlafen und auch Louis hat dreimal ins Bett gemacht. Ich selber konnte noch am Wochenende kaum aufstehen, weil ich mich einfach elendig gefühlt habe. Schlafen ging nach wie vor nicht. Am Montag habe ich, wie letztes Mal von der Nase abwärts Muskelschmerzen bekommen, die bis Mittwoch angehalten haben. Somit war es diesmal für mich irgendwie heftig. Am Montag war ich durch die schlaflosen Nächte am Tiefpunkt, und ich habe mich gefragt, wie das alles 6 Monate gehen soll. Aber schon am Dienstag ging es wieder bergauf. Gestern habe ich mir mal eine Schlaftablette reingeschoben, so dass ich mal drei Stunden am Stück schlafen konnte. Jetzt leg ich mich nur noch einmal am Tag hin. Ich freue mich, dass ich nach einer Woche schon wieder so fit bin und heute mit Louis Fahrradfahren üben konnte. Und ich genieße jeden Tag, den ich ohne Infekte und Wehwehchen bis zur nächsten Chemo haben darf.


Ah, ich hab vergessen zu erwähnen, dass ich am Mittwoch an einem Kosmetikseminar für Chemopatientinnen teilgenommen habe. Ich musste leider wieder feststellen, dass ich nicht der Typ für solche "Selbsthilfegruppen" bin (wer mich kennt, weiß dass ich auch schon die Geburtsvorbereitungskurse so ätzend fand) oder es lag daran, dass alle anderen Teilnehmerinnen um die 50 Jahre alt waren. War zuerst etwas erstaunt, dass ich die einzige mit Haarverlust bin, bis alle ganz fröhlich und ungeniert die Perücken abgenommen haben und ich in einem Kreis von lauter alten Glatzköpfen saß. Am Ende hatte ich eine Wundertüte vollbepackt mit Kosmetika im Wert von 200 Euro! Die Kosmetika gingen farblich leider ganz und gar nicht, so dass ich nur mit zwei Stiften etwas anfangen konnte.

Dominik hat mir gerade ganz amüsiert die Packungsbeilage von den Schlaftabletten vorgelesen, die ich euch zum Schluss nicht vorenthalten will:
Schlafwandel und damit verbundene Verhaltensweisen:
Es liegen einige Berichte von Patienten vor, die sich beim Aufwachen nach der Einnahme des Schlafmedikamentes nicht mehr an Ereignisse erinnern, die sie während des Schlafes unternommen hatten. Dazu gehören Schlafwandeln, Autofahren im Schlaf, Zubereiten und Verzehren von Mahlzeiten, Telefonieren oder Geschlechtsverkehr. Wenn jemand in ihrer Umgebung derartige Reaktionen bemerkt, wenden Sie sich an ihren Arzt.

In diesem Sinne: haltet Augen und Ohren offen!