Freitag, 1. Juni 2012

Newsletter 07: Chemohalbzeit

Meine Lieben, 

ja, ich habe tatsächlich schon meine Chemohalbzeit und das schreckliche EC mit der Übelkeit hinter mir. So schnell vergeht die Zeit, wenn man immer von Chemo zu Chemo lebt.  Ich warte im Grunde nur noch auf die Muskelschmerzen, die ich bisher immer am vierten Tag bekommen habe und hoffe, dass ich mich nach dem Wochenende wieder soweit erholt habe.

Ich habe die letzten zwei Wochen vor der Chemo und auch das Pfingstwochenende sehr genossen. Wir waren ja am Bodensee in Überlingen und waren viel baden. Insgesamt merke ich aber, dass meine Kräfte doch weniger werden. Auch meine Walkingstrecken musste ich vom Berg in die Ebene verlagern und auf ne 3/4 h am Tag verkürzen, sonst schaff ich es nicht mehr heim. Die Blutwerte sinken auch so langsam in den Keller, so dass ich am Dienstag noch nicht wusste, ob ich die Chemo bekommen kann. Es hat aber geklappt ;o)
Ich empfinde es immer als eine Gradwanderung, wieviel ich mir jeden Tag zumuten kann und wo meine Grenzen sind- meistens merke ich es erst am Abend. Bin aber trotzdem frohen Mutes, und dankbar, dass ich soviel machen kann.

Ab dem 19.06. bekomme ich dann wöchentlich Taxol, ein Spindelgift, sehr alkoholhaltig, was ziemlich in die Nerven und Fingerspitzen geht. Die Nebenwirkungen verstärken sich dann von Woche zu Woche, so dass ich hoffe, die ersten Wochen ohne große Einschränkungen zu leben. Ich hoffe auch noch so lange es geht töpfern zu können oder bete erst gar keine Nebenwirkungen zu bekommen.

In meinem Ort gibt es jetzt noch eine junge Frau mit Brustkrebs und einem einjährigen Kind. Ich überlege mir, ob ich mich mal mit ihr in Verbindung setze. Ich hab auch diesmal in der Klinik wieder nur ältere Damen um mich gehabt, die alle eine andere Art Brustkrebs und andere Therapien haben und zum größten Teil nur am Jammern sind. Wenn ich mir vorstelle mit solchen Frauen meine Reha verbingen zu müssen, verzichte ich auf die Reha nach der Behandlung und mache mir lieber einen schönen Urlaub mit meiner Familie.

Ich hab nicht sonderlich viel erlebt und bin zu müde zum schreiben, deshalb nur zwei kleine Anekdötchen zum Schluss:

Als wir an der Jugendherberge aus dem Auto ausgestiegen sind, hatte ich nur ein kleines Käppchen an und war auch nicht geschminkt oder "schön zurechtgemacht", weil wir gerade aus dem Thermalbad kamen. Auf jeden Fall kam doch tatsächlich ein 20-Jähriger Bursche an mir vorbei gelaufen und meinte: "Oh je, jetzt kommen die Toten!" Ich war total baff und dachte ich hätte mich verhört- kann es sowas geben? Wohl schon. In solchen Momenten bereue ich es, niemals einen Kampfsport erlernt zu haben. Hätte große Lust gehabt....

Dank meines Taxibringdienstes höre ich das erste Mal in meinem Leben SWR4, meine Eltern sind auch noch eine andere Generation, so dass ich mit dem Sender noch nicht viel in Berührung kam. Mein älterer Taxifahrer steht auf jeden Fall voll darauf und summt gelegentlich auch mit, so gondeln und swingen wir am Morgen als nach Freiburg. Manchmal bin ich genervt von den holen Texten: "Lousianas Lady's wild und schön, lassen keinen Mann, lassen kein Glas stehen..." Dann denke ich wieder, vielleicht sollte ich auch Schlagertexterin werden und einen Song für mein geliebtes Taxi schreiben: "in den Polstern hängt der Rauch, für ne Chemofahrt reicht es aber völlig aus...."
Auf der Heimfahrt, als mir schon ganz schlecht war und ich die Augen zumachte kam dann der Weisheit letzter Schluss: "Take it easy, nimm's leicht auch wenn's für heut mal wieder reicht..." Genau das tut es auch.

So denn euch ein schönes Wochenende und vielen lieben Dank für eure Karten und Antworten auf meine Newsletter auch für die leckeren Erdbeeren und und und. Ich freue mich immer wieder von euch zu hören und was bei euch so los ist.

Liebe Grüße
Kerstin