Dienstag, 3. Juli 2012

Newsletter 08: Die Story vom Pferd

Hallo ihr Lieben,
mittlerweile habe ich nur noch 10x Chemo vor mir und ich scheine sie gut
zu vertragen. Bisher konnte ich das schöne Wetter und die lauen Sommernächte voll genießen und das stimmt mich fröhlich.

Nach der Chemo am Mittwoch schlafwandel ich zum SWR4-Taxi und setze meinen
Schlaf dann im Bett fort. Nachts ist dann wieder vorbei mit Schlafen, da mich das Cortison aufpeitscht. Diese "Hyperaktivität" hält dann bis zum
Wochenende an, so dass ich dann am Montag vor lauter Schlafmangel in den Seilen hänge. Mein Magen ist langsam auch beleidigt, aber alles noch im erträglichen Rahmen. Während der Infusion lege ich meine Finger auf EIS, ein Versuch, dass die Nerven an den Fingerspitzen nicht angegriffen werden.

Gabi
Meine Dorfhelferin hält mich derweil auf Trapp. Wir gärtnern zusammen,
entrümpeln und experimentieren neue Kochrezepte. Immer, wenn ich etwas im Kopf habe, rennt sie gleich los und unterstützt mich: "alles, was dir gut tut, Kind" Wir haben viel Spass zusammen und haben einiges zu Lachen. Am Weinfest-Wochenende haben wir beide meinen ganzen Krempel und noch Altlasten von den Vorgängern vor die Türe gestellt und ein Flohmarktschild ans Tor gehängt. Ich habe 300 Euro eingenommen und bin viele hässliche Sachen losgeworden. Das beschwingt- Jetzt habe ich noch eine dekorative Weinpresse im Keller stehen, falls einer von euch Interesse hätte...
Tja, also Gabi ist ein Schatz und macht alles, wozu ich keine Lust habe- sprich, den ganzen Haushalt ;o) So habe ich mehr Zeit und Kraft für meine Kinder und meine tausend Ideen. Ein Hoch auf die Krankenkasse, die sowas noch finanziert.

Krise
Nach der letzten von 4 Chemos hatte ich eine Bronchitis, so dass ich voll ausgebremst war und kaum vor die Türe konnte. Nach zwei Wochen habe ich dann zweifach Antibiotikum bekommen und musste dann trotzdem zur 1. Taxolchemo antreten. Meine Stimmung war am Tiefpunkt. Ich hatte riesigen Respekt vor der neuen Chemo, die mich evtl. 12 Wochen
lahm legt und Langzeitnebenwirkungen mit sich bringen kann. Deshalb hab ich mich wieder mal näher mit meiner Diagnose befasst und mir einen dicken Wälzer gekauft. Die Frage, war für mich schon, ob das denn alles sein muss und ob es keine Alternativen gibt.
Die nähere Beschäftigung damit hat mich dann aber ziemlich deprimiert.
Die Statistik sieht bei "dreifachnegativem Brustkrebs" insgesamt keine
guten Überlebenschancen und das schwarz auf weiß zu lesen macht nicht gerade fröhlich. Jetzt läuft die Taxol-Chemo aber gut an und dann wurde bei meinem letzten Kontrolltermin auch noch festgestellt, dass der Tumor schon verschwunden ist! Das war auch für meinen Prof. erstaunlich und er meinte, dass mein individuelles Rückfallsrisiko nach der Chemo gering ist.
Puuuh-das waren mal wieder gute Neuigkeiten. Vor allem bin ich happy, dass ich soweit den Sommer genießen und nicht daheim liegen muss. Der weitere Plan ist der: nach der Chemo zwei Wochen Pause- danach OP- danach wieder 2 Wochen Pause und dann 5 Wochen Bestrahlung. Ende November wäre ich mit allem durch.

Bei meiner letzten Chemo hatte ich wieder eine Begegnung mit einer älteren Dame aus dem Schwäbischen. Sie erzählte mir von ihrer Diagnose und wie es bei ihr alles gelaufen ist. Am Ende meinte Sie, dass sie jetzt 80 Jahre alt ist und eigentlich nie etwas hatte und warum ausgerechnet sie noch Krebs bekommen musste !!!?? Schon schlimm, oder...?
Wollte euch zum Schluss noch eine "Story vom Pferd" erzählen, die ich mal in einer Predigt gehört habe. Ich hab mir die Geschichte gemerkt und aufgeschrieben....>

In einem chinesischen Dorf lebte ein Bauer, der ein prächtiges Pferd
besaß. Alle beneideten ihn um dieses Pferd. Wenn sie ihn trafen sagten Sie zu ihm: "Was hast Du für ein Glück mit diesem Pferd." Doch der Bauer
antwortete gelassen: "Ob es Glück ist? Wer weiß es?"
Eines Tages lief ihm das Pferd davon. Nun kamen die Menschen im Dorf und
sprachen ihr Mitleid aus: "Was hast Du für ein Pech." Doch der Bauer
antwortete gelassen: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Einige Tage später war das Pferd plötzlich wieder da. Mit ihm im Gefolge
kamen drei Wildpferde. Die Dorfbewohner rieben sich die Augen und waren
sehr verwundert: "Was hast Du für ein Glück!". Wieder antwortete der
Bauer: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Der Bauer hatte einen Sohn. Und dieser versuchte am nächsten Tag eines
der Wildpferde zu reiten. Doch dieses warf ihn ab und dabei brach sich der
Sohn ein Bein. Die mitfühlenden Dorfbewohner spendeten abermals ihr Mitleid: "Was hast Du für ein Pech. Jetzt kann Dir Dein Sohn nicht bei den
Feldarbeiten helfen und Du musst ganz alleine alles schaffen." Doch der Bauer erwiderte nur: "Pech oder Glück? Gut oder schlecht? Wer weiß es?".
Am nächsten Morgen kamen die Soldaten des Kaisers ins Dorf. Sie
rekrutierten junge gesunde Männer für die Armee, die für den Kaiser in den Krieg ziehen sollte. Als sie den Sohn des Bauern mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn im Dorf zurück. Die anderen jungen Männer des Dorfes mussten mit den Soldaten in den Krieg ziehen und kamen nie wieder zurück


Es ist doch oft so, dass Vieles erst im Nachhinein einen Sinn macht und dass man in den schwierigen Zeiten einfach vertrauen muss, dass Gott den Überblick hat und nur das Beste für einen will.

Seid lieb gegrüßt von
Kerstin

ps. Das Flohmarktfieber hält an. Am Samstag ist in Breisach Riesenflohmarkt. Musste feststellen, dass ein Chemotuch beim Verhandeln durchaus Vorteile hat ;o)