Sonntag, 12. August 2012

Newsletter 09: Chemoalltag

Hallo ihr Lieben,

für alle "Zurückgelassenen" dieses Sommers gibt es wieder mal was zu lesen:

Was gibt es Neues? Im Grunde nichts. Die Chemo gehört mittlerweile voll zum Alltag dazu. Sogar die blonde Assistenzärztin sticht jetzt, ohne mit der Wimper zu zucken (ich mag sie jede Woche mehr). Als ich letzte Woche ging, war ein Nachbarsjunge da und fragte, wohin ich denn gehe, da meinte Louis ganz beiläufig während er seinen Sandkuchen baute "zur Chemotherapie".
Abends bin ich immer völlig Platt, aber schon am nächsten Morgen bin ich wieder voll auf den Beinen. Die ersten Wochen bin ich von dem Cortison abends nicht mehr runter gekommen und konnte nächtelang nicht schlafen. Am Ende hab ich mich so sehr reingesteigert aus Panik vor der Nacht, dass ich jetzt Antidepressiva nehme, um abends die Kurve zu bekommen. Ab 20 Uhr ist mit mir jetzt nicht mehr viel anzufangen. Deshalb steh ich früher auf und lauf ne Runde auf meinem Crosstrainer bei frisch machender Pink-Punk-Rockmusik.

Gabi ist die letzten 8 Wochen jeden Mittwoch mit den Kiddies ins Schwimmbad gegangen- jedes Mal das schönste Wetter. Wenn ihr für ein Vorhaben schönes Wetter braucht- nehmt den Mittwoch, den habe ich noch vier Wochen so bestellt!
Einmal war es so heiß, dass ich nach der Taxifahrt (ohne Klimaanlage) 38 Grad Fieber hatte und erst bis 37,5 abkühlen musste, damit ich antreten konnte. Armer Taxifahrer. Vielleicht sollte er an heißen Tagen einfach den Fieberthermometer mitnehmen und sich bei 38 Grad Körpertemperatur krank schreiben lassen. Vielleicht sieht es sein Arbeitgeber dann ein, ihm ein Taxi mit Klimaanlage bereit zu stellen. (Das muss ich ihm nächstes Mal unbedingt vorschlagen...)

Wir haben in der letzten Zeit Dominiks und Jaels Geburtstag gefeiert. Es waren sehr schöne Abende, trotz Cocktails in alkoholfreier Variante für mich.  Ansonsten haben wir das schöne Wetter im Schwimmbad, auf dem Mundenhof und auf der Sommernachtsparty genossen, gell Ina?

Gabi ist leider nur noch eine Woche da und hat dann drei Wochen Urlaub. Danach kommt evtl. "die Andere" zurück- seuft. Dominik wird dann den Rest der Chemo Halbtags arbeiten. Danach wollen wir für zwei Wochen an die Ostsee, bevor die OP ansteht.


Auf ein Wort (für, die die es mal wissen wollen)
Ich habe auf die letzte Mail mit der "Story vom Pferd" viele unterschiedliche Rückmeldungen von euch bekommen. Viele bewundern meine "innere Kraft" und meinen Glauben und zum Teil sind die Vorstellungen von dem, was ich glaube nicht ganz klar. Außerdem habe ich mitbekommen, dass auch Leute, die mich nicht kennen meine Newsletters lesen.  Deshalb ein kleines Wort dazu, oder wenn wir schon mal dabei sind ein kleines "Gleichnis": 

Stellt euch vor, ihr macht einen Fahrradausflug nach Breisach. Ihr genießt die schöne Landschaft und achtet nicht so sehr auf den Weg, aber plötzlich- was war das? Vor dir geht ein schwarzer Strich quer über den Radweg. Du machst langsam und erkennst immer mehr, dass das eine Ameisenstraße ist. Zu blöd, da gehen ja jedesmal ein paar Kaputt, wenn ein Radfahrer kommt. Du bist ein tierlieber Mensch, deshalb holst du dir ein paar Stöckchen und versuchst die Ameisen umzuleiten und Ihnen Steine in den Weg zu legen, damit sie umdrehen. Zuerst sind die Ameisen verwirrt und drehen um, aber keine Minute später krabbeln sie über das Hindernis drüber und gehen weiter in dei falsche Richtung. DU gibst nicht auf und versuchst dich schriftlich zu verständigen. Aber keine Chance. Im Grunde gibt es nur ein: du wirst selbst eine Ameise und hoffst, dass dir jemand glaubt und dich nicht für verrückt hälst.
So, mit dieser Perspektive lest mal das  Evangelium von Johannes in heutigem deutsch. Da steht in Kapitel.: <Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.> Für mich heißt Glauben nicht irgendwelche religiöse Rituale zu erfüllen oder ein bestimmtes Gebet regelmäßig zu beten und meinen Gott gnädig zu stimmen. Gott war mit mir schon gnädig, weil er Jesus zu uns Menschen geschickt hat. Ich glaube an Jesus, dass er gelebt hat und wieder auferstanden ist, jeden Tag bei mir ist und wiederkommt. Und ich glaube, dass Gott mich liebt, wie ein Vater sein Kind. Mein Glaubensfundament ist die Bibel und ich bin froh ein solches Fundament zu haben, indem Gottes Wort steht und das viele Vorbilder für meine Situation parat hat.
Soweit reicht es mal. Ich hoffe, dass ihr damit was anfangen könnt, falls nicht, fragt nach.

Ganz liebe Grüße auch an die Arbeitsfront
Kerstin