Mittwoch, 27. November 2013

Newsletter 23: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal...

Losung vom 20.November:
Herr, höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen.

Psalm 39,13
Gott zu dir rufe ich:in mir ist es finster, aber bei dr ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede.  In mir ist die Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.
Dietrich Bonhoeffer


Am nächsten Morgen wurde ich um 6 Uhr wach und zog mein OP-Kittelchen an. Alles Weitere lief, wie gehabt. Irgendwann wurde ich auf der Intensivstation wieder wach. Alles soll gut gegangen sein, dreizehn Stunden wurde operiert, ich muss über Nacht auf Intensiv bleiben.

Wieder wach, viele Schmerzen, konnt kaum Atmen, konnte nur verschwommen sehen. Ich hatte einen Zugang am Hals, am Arm und sechs Schläuche aus meinem Bauch hängen und den Bauchnabel "versetzt". Der Bauch wurde durch ein enges Korsett zusammengequetscht. Jede Stunde wurden meine Brüste mit einem Ultraschall kontrolliert, ob die Durchblutung funktioniert. Ich wollte schlafen, konnte aber nicht, denn sobald ich ruhiger atmete schreckte mich ein lautes Piepsen auf, und ich spürte, dass mein Sauerstoff zu wenig ist. Dann merkte ich, dass ich bei jedem Atemzug mehr Schmerzen bekomme und hoffte, dass die Schwester es merkt. Ich hatte keine Klingel, fand aber schon bald heraus, dass sie kommt, sobald ich den Sauerstoffmesser von meinem Finger abstreifte, denn das verursachte diese lauten Piepser. Gegen Ende der Nacht, redete sie nicht einmal mehr mit mir. Ich kam mir schlecht vor.

Zwischendurch fiel ich in Träume, die so schrecklich und auch real waren. Ich hätte gleich danach mit Schreiben anfangen sollen und hätte mehrere Bestseller in der Horror und Thrillerrubrik geschrieben. (Dominik erzählte mir ein paar Tage später, dass Stephen King seine Bücher größtenteils zugedröhnt geschrieben hat und ich glaub ihm jedes Wort!.) Noch etwas Seltsames war die ganze Nacht. Ich hörte, wenn ich nicht träumte immer wieder ein lautes Husten und wusste, dass da noch ein Patient liegen musste. Ich hörte aber auch mehrere Stimmen die leise flüsterten, im gleichen Rythmus. Ich ging davon aus, dass da Angehörige beteten. Also schlussfolgerte ich, dass da jemand im Sterben liegen musste. Am frühen Morgen fragte ich die Schwester, ob nebenan jemand im Sterben liegt und sie lachte kurz und meinte, nein, der Patient liegt nicht im Sterben und da sind auch sonst keine Menschen. Komisch, aber ich höre, doch Stimmen, die beten? Sind das die Medikamente oder sind da Engel?

Nach der Nacht wurde ich auf Station verlegt, dort sollte ich mehr Ruhe haben. Ich wurde in ein Zimmer geschoben und wurde gleich herzlich von meiner Bettnachbarin empfangen.Sie empfing mit sozusagen mit offenen Armen. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mich gerne mehr mit ihr unterhalten. Meine stündliche Frage nach Schmerzmitteln blieb nach wie vor, die Brustkontrollen ebenfalls und immer wieder kam jemand rein, um mich etwas zu fragen oder etwas zu messen. Eine große und ne kleine Visite lief an mir vorbei. Meine Mutter und Dominik kamen im Laufe des Tages. Mittags und Abends wurde mir ein Tablett mit Essen vor die Nase gestellt, wovon ich einen halben Joghurt essen konnte. Die meiste Zeit hatte ich die Augen zu, weil ich immer noch nicht klar sehen konnte. Zum Abend kam wieder eine Visite, die nicht sehr zufrieden mit meinem Schmerzempfinden wirkten. Am nächsten Tag sollte ich mich aufsetzen können, vielleicht schon ne Runde gehen und ich sollte Essen!
Die Nacht schaffte ich es wenigstens mal vier Stunden zu schlafen

Am Freitagmorgen setzte ich mich unter hohen Schmerzen einmal auf, mein Kreislauf krachte sofort zusammen. Ich verschluckte mich und wusste, nicht wie ich Husten sollte ohne zu ersticken oder meinen Bauch zu zerreißen. Ich wurde von oben bis unten gewaschen, wie eine alte Frau. Am Nachmittag versuchte ich drei Löffel Suppe und erbrach mich kurzerhand auf mein frisch gemachtes Bett. Reden und telefonieren war noch sehr anstrengend. Wie um alles in der Welt sollte ich jemals wieder auf die Beine kommen? Die Anästhesie kam vorbei und besprach mit mir, dass ich aufgrund meiner Schmerzen nun Morphin bekommen sollte. Am Abend wurde meine Sauerstoffsättigung gemessen, nur 89 Prozent. Also bekam ich einen Sauerstoffschlauch in die Nase. Die Abendvisite war wieder nicht ganz zufrieden mit mir. So langsam konnte ich das nicht mehr auf mir sitzen lassen. Morgen, Morgen möchte ich aufstehen, da zeig ich es euch allen!
Die Zimmernachbarin entpuppte sich als Glaubensschwester, die mir erzählte, dass sie an dem OP-Tag auch für mich gebetet hätte. Sie selbst, Ende vierzig Jahre, hatte vor einer Woche erfahren, dass sie einen Tumor im Bein hat, und strahlte trotzdem eine Zuversicht aus, die ich in dem Moment auch gern ausgestrahlt hätte. Aber mein Gesicht sprach im Moment ganz andere Bände.

Freitagnacht war die Beste seit langem und ich bekam dank Sauerstoffschlauch wieder Luft und konnte auch etwas klarer sehen. Die Visite entschied, dass heute der Katheter raus kommen sollte und auch gleich vier meiner Schläuche. Die Ärzte verzogen keine Miene während ich mir wieder das F...-Wort verkniff. Einatmen, ausatmen und dann: Holla die Waldfeehhhhhhhh!
Heute hatte ich einen Pfleger, der mich waschen sollte, was mich zusätzlich anspornte fast alles selbst zu machen. Nachdem er mir den Katheter gezogen hatte, schaffte ich es, mich alleine aufzusetzen und ins Bad zu gehen. Dann musste ich mich notgedrungen öfters zur Toilette bewegen, und musste abführende Mittelchen trinken. Meine Mutter spielte Stunde um Stunde tapfer mit mir Qirkel und verpasste einen Zug nach dem anderen, bis ich auch hinter dieses Thema einen Haken setzen konnte.

Das ganze Wochenende war ich alleine auf dem Zimmer. Sonntagmorgen bekam ich die zwei letzten Schläuche und die Zugänge gezogen. So sah ich schon fast wieder wie ein normaler Mensch aus als die Kinder kamen. Als sie wieder gingen, war ich extremst motiviert, so schnell wie möglich gesund zu werden.
Montag war nicht weiter spektakulär, ich durfte das erste Mal duschen und mir wurde gesagt, dass ich am Mittwoch tatsächlich heim könnte. Dominik erzählte mir beim Besuch, dass Louis anfängt zu husten, und schon am nächsten Morgen rief er mich an und sagte mir, dass Louis fiebert. Saublöd! Beim Gedanken an Husten kommen mir jetzt schon die Tränen.  Dienstag bekam ich Fango und lieben Besuch und konnte aber auch meine Schwester in der Klinik gegenüber besuchen, die dort ihre Eierstöcke hat entfernen lassen. Ihr ging es auch schon besser und sie konnte morgen auch schon wieder nach Hause.

Zurück im Zimmer wurde ich angefragt, ob ich bereit wäre mit Studenten über meine Erkrankung und OP zu sprechen, da so eine OP ja nicht alle Tage vorkommt und das Medieninteresse zur prophylaktischen Matektomie in der letzten Zeit wegen der Aneglina Jolie sehr groß ist. Zuerst war ich nicht begeistert, dass sechs Augenpaare meine Oberweite anstarren könnten, aber im Grunde hat das halbe Krankenhaus schon mal "draufgeschaut" so dass ich mich studentenfreundlich zeigte. Ich sollte erzählen, wie es zu meiner Entscheidung kam. Mein kleines medizinisches Referat hat den Arzt doch sehr beeindruckt. Er musste meine Fachbegriffe den Studenten oft erklären und lobte mich vor den Studenten als gut informierte und überaus mündige Patientin.  Der eine Student kaute nebenher an seinen Fingern, zwei waren sehr bei der Sache und die Mädels schauten mich nur mitleidig an. Zum Schluss hob einer der Studenten die Hand und wollte noch eine Sache von mir wissen, wenn es nicht zu persönlich ist. "Na klar, " sagte ich. Er daraufhin: "Tut das weh?" Innerlich hat es mich fast vor Lachen zerrissen. Nach zehn Minuten war alles kurz und knapp erläutert und sie gingen wieder davon. Mich hat die Sache sehr amüsiert und ich hätte mich am liebsten an die kleine Gruppe angehängt um andere gruselige Geschichten anderer Patienten zu erfahren.....

Ich hatte während dem ganzen Aufenthalt sechs Zimmernachbarinnen- ganz gemischtes Publikum.  Irgendwie immer eine besondere Geschichte, weil man soviel von eigentlich fremden Menschen mitbekommt. Die Einen interessieren einen sehr, von den anderen will man eigentlich nicht noch mehr wissen. Seufz. Ich überlege gerade, ob ich ein paar Anekdötchen zum Besten gebe- aber lasse das heute mal lieber. Am Meisten hat mich überrascht, dass sich ausgerechnet jene Frauen einer Schönheits-OP unterzogen haben, von denen man meinen könnte, dass sie das Geld bestimmt gut für was anderes brauchen könnten. Rückblickend waren alle Frauen zur richtigen Zeit da. Gleich nach meiner OP war eine "Glaubensschwester" im Zimmer, die sehr rücksichtsvoll und irgendwie mutmachend war, dann ein paar interessante Frauen, die auch nicht zumn Vergnügen im Krankenhaus waren und am Schluss eine etwas nervigere Zeitgenossin zum Krankenhausabgewöhnen sozusagen.

Als ich mein Zimmer auf Station verlies, wurde das Nachtischchen meiner Nachfolgerin reingeschoben. Darauf stand dasselbe Gestell, mit dem ich ein Tag vor meiner OP die Atmung trainieren sollte und unten drin ein Buch "Die Hütte"- ein christlicher Bestseller und die Bibel. Bei dem Anblick des Atmungsgestells empfand ich erst Mitleid für diejenige, beim Blick auf das Buch, war ich froh, dass auch sie die kommende Zeit nicht alleine durchstehen muss.

Bin jetzt wieder Zuhause und freue mich auf die nächsten Tage, wenn Dominik nachmittags nach Hause kommt und auf Gabi nächste Woche! Und vor allem freue ich mich jetzt auf meine Kinder, die ich in einer Stunde wieder sehen werde. Bin noch nicht sehr beweglich und stackse mit gebeugtem Oberkörper durch die Gegend. Nachts liege ich wie ein Käfer auf dem Rücken. Aber das wird schon werden.

Zum Ergebnis nur soviel: Die Nudeldiät hat volle Wirkung gezeigt! Der Doktor war ehrlich überrascht ;o)
Und jetzt doch ein Anekdötchen zum Schluss, weil es gerade passt:
Meine letzte Zimmernachbarin, die zu allem ein Kommentar wusste,  schaute mit einem Blick auf meine Oberweite, als die Durchblutung mal wieder kontrolliert wurde und quatschte mich gleich an: "hab das Gleiche hinter mir- hab sie mir auch vergrößern lassen!" Dazu hab ich dann erst mal gar nichts gesagt.....

Dienstag, 19. November 2013

Newsletter 22: Abschiedsschmerz


Es war ein Wochenende voller Genuss und Entspannung: gemütliches Bummeln in Emmendingen, Sauna, gutes Essen und nochmal Sauna und das alles ohne Kinder mit meinem Mann.

Am Sonntag wachte ich auf konnte mich nicht daran erinnern, wann ich dass letzte Mal so glücklich und wunschlos zufieden war. Der Gedanke an die Operation am Mittwoch warf in einem mal einen dunklen Schatten auf mich. Als die ersten Tränen aufstiegen, brach mein ganzer Mut zusammen und ich heulte und schluchzte, wie ich es im ganzen letzten Jahr nicht getan habe. Ich hatte noch nie wirkliche Komplexe wegen meinem Körper, Problemzonen schon, aber daran ist man ja gewöhnt. Was, wenn ich mich danach aber nicht mehr im meiner eigenen Haut wohlfühle? Was, wenn es Komplikationen gibt?  Wie werde ich die Schmerzen aushalten? Bei den anderen Operationen ging alles seinen Gang, ich kam gar nicht so ins Nachdenken. Diesmal war es wieder anders, es war meine ganz eigene Entscheidung.

Den Tag über versuchte ich meine Angst unter Kontrolle zu bekommen und lenkte mich mit einem Buch in der Sauna ab. Dominik und ich konnten den Sonntag in der Sauna noch voll auskosten.  Am Abend waren wir zusammen wieder im Gottesidienst. Leider konnte ich auch da meine Tränen nicht zurückhalten, wenn mich jemand auf die OP ansprach. Es war doch bisher alles ok? Ich bin doch sonst kein so Schisser!

Der Gottesdienst ordnete meine trüben Gedanken neu. Mir wurde klar, dass die Angst mir schadet und ich sie bei Gott abgeben muss.

Mein Garten Gethsemane
Ich legte Jael am Abend zum Schlafen, setzte mich wie gewohnt vor ihr Bett und betete.  Obwohl ich kopfmäßig wieder klar war, war ich trotzdem unendlich traurig. Warum Jesus, bin ich auf einmal nicht mehr so tapfer und mutig? Ich erschrecke mich vor dem, was vor mir liegt! Ich weinte und betete zugleich, dass er mich nicht alleine lässt. Wie so oft beim Beten sah ich ein Bild vor meinem inneren Auge. Jesus im Garten Gethsemane, wie er Blut schwitzt und Angst hat und seine Jünger bittet, dass sie beten sollen." Jesus, du war's ein Mensch wie ich und kannst mich voll verstehen und verurteilst mich auch nicht. Jesus, danke, dass du mir Freunde geschenkt hast, die für mich am Mittwoch beten werden." Das Bild von  Jesus im Garten Gezemane zeigte mir auch, dass ich meinen Blick auf das Lenken musste, was danach kommt. Für mich fängt dann ein neues Leben an, eins ohne ständige Sorge.

Am Montagmorgen putzte ich nochmal durchs ganze Haus mit Lobpreismusik und unser Pastor mit seiner Frau besuchten mich nochmal. Am Nachnmittag waren wir Zuhause und genossen nochmals den Tag.

Dienstagmorgen um 10.30 Uhr meldete ich mich auf Station, und musste dann gleich eineinhalb Stunden bei der Anästhesie warten. Danach folgte die Vermessung der Welt. Beim Anästhesiegespräch wurde ich nochmals darüber aufgeklärt, dass ich die ersten drei Tage enorme Schmerzen haben werde, und mich wegen einer Schmerzpumpe melden sollte, falls ich das bräuchte. Fast allen, den ich begegneten gaben mir zu verstehen, dass die nächsten Tage kein Zuckerschlecken werden und es eine der härtesten OP's überhaupt sei. Ich sollte diese Nacht UNBEDINGt noch schlafen, weil ich das die nächsten drei Nächte bestimmt nicht könnte.Beim Arztgespräch sudelte der Arzt wild seine Linien und erklärte mir, dass mir drei Varianten offen stehen, je nachdem, für wieviel das Bauchfett ausreicht. Brustwarze kommt in jedem Fall weg.
 1. Variante: Brustwarze wird aus Haut vom Bauch rekonstruiert. 2. Variante: das Loch durch die Brustwarzenentfernung wird einfach zugenäht. 3. Variante:zusätzlicher  T-Schnitt, wenn die Brust gestrafft werden muss.
Das Bauchfett wird nicht einfach nur abgesaugt, es wird wie bei einer Bauchstraffung "die Speckrolle" einfach rausgeschnitten und oben mit unten vernäht. An die Stelle, wo der Bauchnabel hingehört, wird dann der alte Nabel wieder eingepflanzt. Das Bauchgewebe wird dann mikroskopisch an die Blutgefäße im Brustbereich angenäht, was das wirklich SPANNENDE an der Sache ist, da ich in den folgenden drei Tagen stündlich kontrolliert werden musste, ob die Brüste auch gut durchblutet sind.

Zwischendurch strickte ich in Seelenruhe eine Beinstulpe für Jael. Meine Mutter hatte mir ein Büchlein mit mutmachenden Bibelversen geschenkt in dem ich ab und zu ein Vers las.

Psalm 23: Und ob ich schon wanderte durchs finstere Tal, fürchte ich KEIN Unglück, denn DU bist bei mir! 

Gott meint es gut, wie ein Vater mit seinem Kind. Ich brauch mich vor Unglück nicht zu fürchten, denn wenn Gott dabei ist, geht es auch mal durch dunkle Täler  (die bleiben auch uns nicht erspart), ABER er führt mich hindurch, das hat er versprochen. Er will auch bestimmt nicht, dass ich später mit dem Ergebnis unglücklich bin. Ich vertraue darauf: ".... du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir VOLL ein!"