Losung vom 20.November:
Herr, höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen.
Psalm 39,13
Gott zu dir rufe ich:in mir ist es finster, aber bei dr ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. In mir ist die Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.
Dietrich Bonhoeffer
Am
nächsten Morgen wurde ich um 6 Uhr wach und zog mein OP-Kittelchen an.
Alles Weitere lief, wie gehabt. Irgendwann wurde ich auf der
Intensivstation wieder wach. Alles soll gut gegangen sein, dreizehn
Stunden wurde operiert, ich muss über Nacht auf Intensiv bleiben.
Wieder
wach, viele Schmerzen, konnt kaum Atmen, konnte nur verschwommen sehen.
Ich hatte einen Zugang am Hals, am Arm und sechs Schläuche aus meinem
Bauch hängen und den Bauchnabel "versetzt". Der Bauch wurde durch ein enges Korsett zusammengequetscht.
Jede Stunde wurden meine Brüste mit einem Ultraschall kontrolliert, ob
die Durchblutung funktioniert. Ich wollte schlafen, konnte aber nicht,
denn sobald ich ruhiger atmete schreckte mich ein lautes Piepsen auf,
und ich spürte, dass mein Sauerstoff zu wenig ist. Dann merkte ich, dass
ich bei jedem Atemzug mehr Schmerzen bekomme und hoffte, dass die
Schwester es merkt. Ich hatte keine Klingel, fand aber schon bald
heraus, dass sie kommt, sobald ich den Sauerstoffmesser von meinem
Finger abstreifte, denn das verursachte diese lauten Piepser. Gegen Ende
der Nacht, redete sie nicht einmal mehr mit mir. Ich kam mir schlecht
vor.
Zwischendurch fiel ich in Träume, die so schrecklich und auch
real waren. Ich hätte gleich danach mit Schreiben anfangen sollen und
hätte mehrere Bestseller in der Horror und Thrillerrubrik geschrieben.
(Dominik erzählte mir ein paar Tage später, dass Stephen King seine
Bücher größtenteils zugedröhnt geschrieben hat und ich glaub ihm jedes
Wort!.) Noch etwas Seltsames war die ganze Nacht. Ich hörte, wenn ich
nicht träumte immer wieder ein lautes Husten und wusste, dass da noch
ein Patient liegen musste. Ich hörte aber auch mehrere Stimmen die leise
flüsterten, im gleichen Rythmus. Ich ging davon aus, dass da Angehörige
beteten. Also schlussfolgerte ich, dass da jemand im Sterben liegen
musste. Am frühen Morgen fragte ich die Schwester, ob nebenan jemand im
Sterben liegt und sie lachte kurz und meinte, nein, der Patient liegt
nicht im Sterben und da sind auch sonst keine Menschen. Komisch, aber
ich höre, doch Stimmen, die beten? Sind das die Medikamente oder sind da
Engel?
Nach der Nacht wurde ich auf Station verlegt, dort sollte ich
mehr Ruhe haben. Ich wurde in ein Zimmer geschoben und wurde gleich
herzlich von meiner Bettnachbarin empfangen.Sie empfing mit sozusagen mit offenen Armen. Wenn ich gekonnt hätte,
hätte ich mich gerne mehr mit ihr unterhalten. Meine stündliche Frage
nach Schmerzmitteln blieb nach wie vor, die Brustkontrollen ebenfalls
und immer wieder kam jemand rein, um mich etwas zu fragen oder etwas zu
messen. Eine große und ne kleine Visite lief an mir vorbei. Meine Mutter
und Dominik kamen im Laufe des Tages. Mittags und Abends wurde mir ein
Tablett mit Essen vor die Nase gestellt, wovon ich einen halben Joghurt
essen konnte. Die meiste Zeit hatte ich die Augen zu, weil ich immer
noch nicht klar sehen konnte. Zum Abend kam wieder eine Visite, die
nicht sehr zufrieden mit meinem Schmerzempfinden wirkten. Am nächsten Tag
sollte ich mich aufsetzen können, vielleicht schon ne Runde gehen und
ich sollte Essen!
Die Nacht schaffte ich es wenigstens mal vier Stunden zu schlafen
Am
Freitagmorgen setzte ich mich unter hohen Schmerzen einmal auf, mein
Kreislauf krachte sofort zusammen. Ich verschluckte mich und wusste,
nicht wie ich Husten sollte ohne zu ersticken oder meinen Bauch zu
zerreißen. Ich wurde von oben bis unten gewaschen, wie eine alte Frau.
Am Nachmittag versuchte ich drei Löffel Suppe und erbrach mich
kurzerhand auf mein frisch gemachtes Bett. Reden und telefonieren war
noch sehr anstrengend. Wie um alles in der Welt sollte ich jemals wieder
auf die Beine kommen? Die Anästhesie kam vorbei und besprach mit mir,
dass ich aufgrund meiner Schmerzen nun Morphin bekommen sollte. Am Abend
wurde meine Sauerstoffsättigung gemessen, nur 89 Prozent. Also bekam
ich einen Sauerstoffschlauch in die Nase. Die Abendvisite war wieder
nicht ganz zufrieden mit mir. So langsam konnte ich das nicht mehr auf
mir sitzen lassen. Morgen, Morgen möchte ich aufstehen, da zeig ich es
euch allen!
Die Zimmernachbarin entpuppte sich als Glaubensschwester,
die mir erzählte, dass sie an dem OP-Tag auch für mich gebetet hätte.
Sie selbst, Ende vierzig Jahre, hatte vor einer Woche erfahren, dass sie
einen Tumor im Bein hat, und strahlte trotzdem eine Zuversicht aus, die
ich in dem Moment auch gern ausgestrahlt hätte. Aber mein Gesicht
sprach im Moment ganz andere Bände.
Freitagnacht war
die Beste seit langem und ich bekam dank Sauerstoffschlauch wieder Luft
und konnte auch etwas klarer sehen. Die Visite entschied, dass heute
der Katheter raus kommen sollte und auch gleich vier meiner Schläuche.
Die Ärzte verzogen keine Miene während ich mir wieder das F...-Wort
verkniff. Einatmen, ausatmen und dann: Holla die Waldfeehhhhhhhh!
Heute hatte
ich einen Pfleger, der mich waschen sollte, was mich zusätzlich
anspornte fast alles selbst zu machen. Nachdem er mir den Katheter
gezogen hatte, schaffte ich es, mich alleine aufzusetzen und ins Bad zu
gehen. Dann musste ich mich notgedrungen öfters zur Toilette bewegen,
und musste abführende Mittelchen trinken. Meine Mutter spielte Stunde um
Stunde tapfer mit mir Qirkel und verpasste einen Zug nach dem anderen,
bis ich auch hinter dieses Thema einen Haken setzen konnte.
Das ganze
Wochenende war ich alleine auf dem Zimmer. Sonntagmorgen bekam ich die
zwei letzten Schläuche und die Zugänge gezogen. So sah ich schon fast
wieder wie ein normaler Mensch aus als die Kinder kamen. Als sie wieder
gingen, war ich extremst motiviert, so schnell wie möglich gesund zu
werden.
Montag war nicht weiter spektakulär, ich durfte das erste Mal
duschen und mir wurde gesagt, dass ich am Mittwoch tatsächlich heim
könnte. Dominik erzählte mir beim Besuch, dass Louis anfängt zu husten,
und schon am nächsten Morgen rief er mich an und sagte mir, dass Louis
fiebert. Saublöd! Beim Gedanken an Husten kommen mir jetzt schon die Tränen. Dienstag bekam ich Fango und lieben Besuch und konnte
aber auch meine Schwester in der Klinik gegenüber besuchen, die dort
ihre Eierstöcke hat entfernen lassen. Ihr ging es auch schon besser und
sie konnte morgen auch schon wieder nach Hause.
Zurück
im Zimmer wurde ich angefragt, ob ich bereit wäre mit Studenten über
meine Erkrankung und OP zu sprechen, da so eine OP ja nicht alle Tage
vorkommt und das Medieninteresse zur prophylaktischen Matektomie in der letzten Zeit wegen der Aneglina Jolie sehr groß ist. Zuerst war ich nicht begeistert, dass sechs Augenpaare meine Oberweite
anstarren könnten, aber im Grunde hat das halbe Krankenhaus schon mal
"draufgeschaut" so dass ich mich studentenfreundlich zeigte. Ich sollte
erzählen, wie es zu meiner Entscheidung kam. Mein kleines medizinisches
Referat hat den Arzt doch sehr beeindruckt. Er musste meine Fachbegriffe
den Studenten oft erklären und lobte mich vor den Studenten als gut
informierte und überaus mündige Patientin. Der eine Student kaute
nebenher an seinen Fingern, zwei waren sehr bei der Sache und die Mädels
schauten mich nur mitleidig an. Zum Schluss hob einer der Studenten die Hand und wollte noch eine Sache von mir wissen, wenn es nicht zu persönlich ist. "Na klar, " sagte ich. Er daraufhin: "Tut das weh?" Innerlich hat es mich fast vor Lachen zerrissen. Nach zehn Minuten war alles kurz und
knapp erläutert und sie gingen wieder davon. Mich hat die Sache sehr amüsiert und
ich hätte mich am liebsten an die kleine Gruppe angehängt um andere
gruselige Geschichten anderer Patienten zu erfahren.....
Ich hatte
während dem ganzen Aufenthalt sechs Zimmernachbarinnen- ganz gemischtes
Publikum. Irgendwie immer eine besondere Geschichte, weil man soviel von
eigentlich fremden Menschen mitbekommt. Die Einen interessieren einen
sehr, von den anderen will man eigentlich nicht noch mehr wissen.
Seufz. Ich überlege gerade, ob ich ein paar Anekdötchen zum Besten gebe-
aber lasse das heute mal lieber. Am Meisten hat mich überrascht, dass sich ausgerechnet jene Frauen
einer Schönheits-OP unterzogen haben, von denen man meinen könnte, dass sie
das Geld bestimmt gut für was anderes brauchen könnten. Rückblickend waren alle Frauen zur richtigen Zeit da. Gleich nach meiner OP war eine "Glaubensschwester" im Zimmer, die sehr rücksichtsvoll und irgendwie mutmachend war, dann ein paar interessante Frauen, die auch nicht zumn Vergnügen im Krankenhaus waren und am Schluss eine etwas nervigere Zeitgenossin zum Krankenhausabgewöhnen sozusagen.
Als ich mein Zimmer auf Station verlies, wurde das Nachtischchen meiner Nachfolgerin reingeschoben. Darauf stand dasselbe Gestell, mit dem ich ein Tag vor meiner OP die Atmung trainieren sollte und unten drin ein Buch "Die Hütte"- ein christlicher Bestseller und die Bibel. Bei dem Anblick des Atmungsgestells empfand ich erst Mitleid für diejenige, beim Blick auf das Buch, war ich froh, dass auch sie die kommende Zeit nicht alleine durchstehen muss.
Bin jetzt wieder Zuhause und freue
mich auf die nächsten Tage, wenn Dominik nachmittags nach Hause
kommt und auf Gabi nächste Woche! Und vor allem freue ich mich jetzt auf
meine Kinder, die ich in einer Stunde wieder sehen werde. Bin noch nicht sehr beweglich und stackse mit gebeugtem Oberkörper durch die Gegend. Nachts liege ich wie ein Käfer auf dem Rücken. Aber das wird schon werden.
Zum Ergebnis nur soviel: Die Nudeldiät hat volle Wirkung gezeigt! Der Doktor war ehrlich überrascht ;o)
Und jetzt doch ein Anekdötchen zum Schluss, weil es gerade passt:
Meine letzte Zimmernachbarin, die zu allem ein Kommentar wusste, schaute mit einem Blick auf meine Oberweite, als die Durchblutung mal wieder kontrolliert wurde und quatschte mich gleich an: "hab das Gleiche hinter mir- hab sie mir auch vergrößern lassen!" Dazu hab ich dann erst mal gar nichts gesagt.....
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